Crowdfunding Hühnerstall: eine Chance für echte Hühner!
In letzter Zeit huschen bei mir immer wieder Aufrufe über den Bildschirm, Menschen zu helfen, Hühnerställe zu finanzieren. Es geht um artgerechte Haltung, um nichtgeschredderte Küken, um gesunde Eier, um Hühner, die in die Fruchtfolge eingebaut werden. Alles aktuelle Themen; was mir persönlich allerdings immer zu kurz kommt, sind die Hühner selbst.
Schwieriger Eierkauf
Möchte man Eier kaufen, sieht man oft den Wald vor Bäumen nicht mehr. Es gibt neben den klassichen Boden- und Freilandeiern auch Bio-Eier, Eier von Demeterhöfen, Eier aus Mobilställen, Eier, die ohne Kükentöten auskommen. Eine Gemeinsamkeit haben aber alle Eier: sie werden von Hybridhühnern gelegt, die nach einer Legeperiode Höchstleistung geschlachtet werden.
Viele der Hühner-Crowdfunding-Aufrufe werben damit, sich eben keine „Hochleistungs-Hybriden“ einstallen zu wollen, sondern „klassische Zweinutzungshühner“ mit dem Namen „Coffee“ und „Cream“. Mein Problem damit: Coffee und Cream sind zwar die besten verfügbaren Alternativen auf dem Markt, allerdings genau wie alle anderen Alternativen Hybridhühner, die nach einer, maximal anderthalb Legeperioden geschlachtet und ersetzt werden müssen. Zu groß ist die Auszehrung durch die ungeheure Legeleistung. „Klassische Zweinutzungshühner“ nennen sie sich, weil die Hähne besser zu mästen sind als die von Varianten wie „Sandy“, mit denen die Industrie ins Feld zieht. „Klassische Bauernhofhühner“, wie die Bezeichnung in meinem Empfinden suggeriert, sind sie allerdings noch lange nicht.
Ökologische Hybridhühner
Coffee und Cream sind Ergebnisse der „ÖTZ“, der „Ökologischen Tierzucht“, einer Initiative von Bioland und Demeter, eine nachhaltigere Hühnerhaltung auf den Weg zu bringen. Ich bin ein großer Freund der ÖTZ und versuche auch bei jeder Gelegenheit, Werbung für sie zu machen. Der Grund ist, dass das System hinter der Eiererzeugung so verquer und krank ist, dass auf dem Massenmarkt, der inzwischen ja auch von vielen Bio-Anbietern bespielt wird, kein Platz für Hühner mit einer annähernd gesunden Legeleistung ist. Auf diesem Spielfeld ist die ÖTZ die einzig gute Lösung die ich sehe. Allerdings aber auch nur dort. In „kleinen“ Beständen (unter vielleicht 300-500 Tiere), dort, wo Menschen ihr privates Geld einsetzen um eine tierwürdige und alternative Hühnerhaltung zu finanzieren, sollten die Gesetze des Massenmarktes keine Rolle spielen.
Der Unterschied zwischen Hybridhühnern und „echten Hühnern“, also „Rassehühnern“, wie man sie nennt ist, dass bei der Zucht die Bauern selbst Verantwortung in die Hand nehmen. Das ist aber auch das Problem. Legehybriden werden in der Regel als „Legereife Junghennen“ vom Aufzuchtbetrieb geliefert. Zwei Wochen bevor die neuen Hühner kommen, werden die alten geschlachtet, der Stall gesäubert und desinfiziert und dann geht es wieder rund. Die Menschen, die die Eier dieser Hühner verkaufen, haben nichts mit der Aufzucht zu tun, nichts mit der Auswahl der Elterntiere und auch nichts mit den Hühnern die im nächsten Jahr die Eier auf dem Betrieb legen. Das ist auch nicht möglich: die Hennen sind Kreuzungen verschiedener Hühnerlinien, die genetisch optimal kombiniert sind um in der Legegeneration Höchstleistung zu bringen. Würde man die Eier dieser Legegeneration ausbrüten, gäbe es wieder ein Wirrwar von Eigenschaften und Fähigkeiten. Bei Rassehühnern wäre das anders: die Leistung ist zwar nicht so unglaublich hoch, die Nachzucht allerdings hätte die gleichen Merkmale wie die Elterntiere. Sie wären also auf dem Betrieb nachzuziehen und den Bedingungen anzupassen. Gleichzeitig hätten die Hennen aber auch nicht nach einem Jahr all ihr Pulver verschossen, sondern könnten über mehrere Jahre gehalten werden. Gleichzeitig ist damit verbunden, dass die Halter wieder selbst zu Züchtern werden müssten, keine austauschbaren „Instant-Hühner“ von der Stange mehr, sondern die Zucht und Vermehrung der Legehennen, sowie die Vermarktung der Bruderhähne in einer Hand.
Gemeinsame Verantwortung
Finanziell macht es keinen großen Sinn, etwas anderes als Hybriden zu halten. Deswegen verurteile ich auch niemanden dafür. Ich finde allerdings, dass das Wirtschaftliche bei gemeinschaftsgetragenen Lösungen nicht das alleinstehende Argument sein darf. Insbesondere nicht im Ökobereich. Ein Bauer hat mir zu dem Thema mal vorgerechnet, dass ein Mobilstall nach drei Durchgängen Legehybriden abbezahlt sei. Danach sind die Eier ein so einträgliches Geschäft, dass man ein bisschen was zurückgeben kann. Seine Rechnung war, dass drei Jahre Legehybriden gerechtfertigt sei, weil man niemanden dazu zwingen dürfe, sich finanziell ins eigene Fleisch zu schneiden. Danach solle man als Ökobetrieb aber gefälligst Verantwortung übernehmen und sich Gedanken machen, wie man gemeinsam mit anderen an einer guten Lösung für die Hühnerhaltung arbeiten kann. Eine klare Ansage. Die Realität ist: in den Ställen dieses Bauern laufen jetzt, fast zehn Jahre später, immer noch ausschließlich Hybridhühner. Zu laut der Ruf der Hofladenbetreiber, dass die Kunden kein Verständnis dafür hätten, dass es jetzt weniger Eier gäbe. Was aber bleibt ist: Eier sind nach wie vor das einträglichste Geschäft im Ökobereich, gleichzeitig aber meiner Meinung nach der Bereich, in dem alle verfügbaren Augen fest zugekniffen werden, wenn es um ethische Standards geht.
Wo aber anfangen?
Warum nicht dort, wo sich die Menschen, die auf der Suche nach wirklich guten Lebensmitteln sind, selbst engagieren? Bei den Crowdfunding-Aktionen werden jedes Mal mehrere zehntausend Euro aufgetrieben. Geld, dass es zwar nicht geschenkt gibt, Geld, dass aber zu ganz anderen Konditionen kommt und nicht ausschließlich vom Bauern geliehen werden und von den Hühnern wieder hereingeholt werden muss. Warum nicht dort anfangen nach guten Lösungen zu suchen?
Gute Ansätze gibt es bereits
Eine gibt es bereits: ich weiß, dass die Initiative „Unser Familienhuhn“ zum Teil mit alten Rassen arbeitet. Auf der Homepage steht, dass überhaupt keine „Hybrid- Mast- oder Legelinien“ eingesetzt werden sollen, allerdings sieht man nur Bilder von Hybridhühnern. Im Kontakt wurde mir allerdings versichert, dass es bereits Ställe gäbe, die mit Rassehühnern besetzt sind. Das ist schon mehr, als es irgendwo sonst gibt. Warum nicht daran ein Beispiel nehmen und zumindest das Ziel zu formulieren, über Hybridhühner hinaus zu denken? Wirklich für die Tiere, die für viele eine Lebensgrundlage darstellen, Verantwortung zu übernehmen?
Dass das viel Arbeit ist, weiß ich selbst. Es geht auch nicht von jetzt auf gleich. In meinem persönlichen Projektzeitplan braucht es drei Jahre für mein „Hofhuhn-Projekt„: das erste Jahr, um überhaupt Zuchtmaterial zu sammeln und nach Bio-Richtlinien anerkennen zu lassen (es gibt tatsächlich keine Bio-Rassehühner), ein zweites Jahr, um den Bestand an Zuchttieren auf ein Level zu bringen um im dritten Jahr dann Legehennen aufziehen zu können. Das sind dann aber gleichzeitig auch die Zuchttiere für die nächsten Jahre und für die kommenden Generationen auf den Betrieben.
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