Ich habe vor acht Jahren schon mal einen Blog begonnen. Damals habe ich über meine Zeit in Schweden berichtet. Nach meiner Rückkehr nach Deutschland hat der Blog erstmal eine Zeit brach gelegen, in der Ausbildung habe ich aber ab und zu doch noch Texte geschrieben. Zwei dieser Texte möchte ich hier nochmal posten. Sie kommen aus dem Juni 2013, also fast fünf Jahre her und sind der Beginn dessen, womit ich mich hier die nächste Zeit verstärkt wieder beschäftigen werde: dem namensgebenden Hofhuhn-Projekt.
„Die Krux mit den Hühnern“ vom 13. Juni 2013
Es ist ein beliebtes Motiv in den Filmen gegen die Lebensmittelindustrie: ein Arbeiter räumt Hennenställe leer; packt Hennen mit einer Hand an einem Bein, gibt sie in die andere Hand in der schon einige an ihren Füßen hängen und schmeißt sie in Kisten, in denen sie dann zum Schlachthof gefahren werden.
Es ist eine Metapher für vieles für das die moderne Lebensmittelindustrie steht: die Gesichtslosigkeit und Objektisierung der Tiere, das möglichst zeit- und mühensparende Händeln, Gefühlslosigkeit im Umgang mit dem fühlenden Tier und Herzlosigkeit gegenüber der Angst im Ausgeliefertsein.
Setzen wir das Szenario auf eine grüne Wiese, ein Hühnermobil auf einer Kleegrasfläche, blühende Holunder in der Hecke, ein alter Backsteinbauernhof im Osnabrücker Land mit blühenden Rosen, reifenden Kirschbäumen, Wind, Regenschauer – und ein großer Kerl, der Hennen aus den Nestern sammelt und sie in einen kleineren mobilen Hühnerstall setzt.
Das wäre dann wohl ich, Samstagmorgens.
Der einzige Unterschied ist, dass ich mir die Hennen die noch legen heraussortiere, um ihnen (denen die die 12 Monate Legestress noch nicht zu sehr an die Substanz gegangen ist) noch ein paar Monate extra zu geben.
Wo ich den letzten Satz schreibe und mir überlege was ich als letztes Wort setze; „geben“, „schenken“, „gewähren“, „lassen“(???) fällt mir auf, wie sehr es genau das Vokabular ist, das vor allem „die Veganer“ in ihren Schriften gegen Tierhaltung anprangern.
Ein, wenn man so will, gottgleich-anmaßendes Vokabular. Da gibt es keine Euphemismen.
Und auch die Gesichtslosigkeit ist gegeben.
Ich nehme die Hennen die auf den Nestern sitzen. Das wars.
Es sind nicht unbedingt diejenigen, die noch die meisten Eier auf zehn Tage oder zwei, drei Wochen gesehen legen, sind nicht unbedingt diejenigen, die die nächsten Monate von der Konstitution her am besten überstünden, oder gar diejenigen die von ihrem Charakter her für die Herdenstruktur essenziell sind – einfach diejenigen, die von ihrem Rhythmus her dran waren am Samstag dem 29. Juni zwischen 5.30 und etwa 10.15 ihre Eier zu legen.
Die einzigen Ausnahmen werden die Hennen sein, die als Pflegefälle aus der Herde genommen wurden und frei auf dem Hof herumlaufen, die beiden Hähne und eine Henne, die der Kindergarten mal humpelnd gefunden, gesund gepflegt, lieb gewonnen und mit einem Bändchen markiert hat.
Sie werde ich mir noch schnappen.
Ansonsten die 90, die ich in den knapp viereinhalb, fünf Stunden in den kleinen Mobilstall sortiert habe.
So selbstkritisch das jetzt klingt, ich finde die Geste, die Hennen nicht einfach allesamt wegzuschlachten, sondern den Versuch zu unternehmen die robusten, die mit der absurd hohen Eierzahl der Hybridhennen über die Legeperiode am besten klarkamen noch ein paar Monate länger zu halten, einen Schritt in die richtige Richtung.
Im Rahmen des Sortierens ist aber ein alter Gedanke wieder gekommen, ein Gedanke, den ich eigentlich schon wieder als zu komplex und umfangreich verworfen hatte: ich hatte mir mal vor ein paar Wochen überlegt als Jahresarbeit im 4. Lehrjahr (Teil der Freien Ausbildung) eine Gegenüberstellung der klassischen Legehennenhaltung, die sich vom Zukauf der 20-wöchigen Hybridhennen, über eine knapp einjährige Legeperiode bis zum Aussortieren und Ersetzen der Hennen erstreckt, mit der Haltung einer Zwiehuhnrasse inklusive Brut, Aufzucht der Legehennen und Bruderhähnchen, der Schlachtung der Hähnchen, der Legeperiode der Hennen, bis zum Abgang, den man bei den etwas schwereren Hennen auch positiver sehen könnte, weil sie im Gegensatz zu den Hybriden nicht nur aus besserem Leder und Knochen bestünden.
Solche Projekte gibt es natürlich schon, einmal das Kollbecksmoorhuhn und zum anderen die Initative „ei care“.
Zusätzlich gibt es noch Versuche an verschiedenen Stellen; Höfen, konventionellen Zuchtfirmen und Fachhochschulen, wo auf verschiedene Arten das Bruderhähnchendilemma anzugehen versucht wird, Zuchtversuche mit Sulmtalern, Australorps, Italienern, Zwiehuhnhybriden und so weiter.
Aber die Situation der CSA, wo Menschen sagen, dass sie die Hofprojekte unterstützen, weil sie gut finden was gemacht wird und weil sie den Landwirten ermöglichen wollen andere, weniger von den Tagespreisen abhängige, Wege zu gehen, ist eine Möglichkeit Menschen zu sensibilisieren – vor allem weil es Projekte wie „ei care“, die ja versuchen müssen sich im freien Markt zu etablieren anscheinend ein bisschen stockend laufen.
Ich hätte hier die Möglichkeit im vierten Lehrjahr einen solchen Paralleldurchlauf zu machen und dokumentieren, ohne in dem Dilemma zu stecken mich damit wirtschaftlich behaupten zu müssen.
Auch in dem Wissen, den Initatoren von ei care und so weiter in den Hintergründen nicht das Wasser reichen zu können, wäre eine solche Jahresarbeit eine Sache die mich interessieren würde, und wenn es nur herausbringt, dass ich irgendwann nebenbei noch ein paar Hühner halten könnte, die Hähnchen mästen und die Hennen legen lassen, ohne einen finanziellen Verlust einzufahren – oder auch das Gegenteil.
Und, so komisch es für viele klingen mag, da dann das Hennensortieren mir ein nicht ganz so schlechtes Gefühl geben würde, weil ich sie vom ersten Tag her kennen würde, wüsste dass sie mich kennen und wüsste, dass sie Teil des Hofkreislaufes wären – wie „wir“ in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft uns das eigentlich wünschen.
Und dass sie nicht nur fürs Legen leben, sondern auch um sich ein bisschen wohl zu fühlen – wobei ich sagen muss, dass mich die Hybriden die ich zuhause hatte, oft beeindruckt haben, weil sie schon einiges mehr an Power hatten als Hennen klassischer Rassen die da mit auf dem Hof herumgelaufen sind.
Aber das waren auch drei-, vier-, fünf-, sechs- und siebenjährige Hennen, die ihren Peak an Legeleistung hinter sich gelassen hatten (aber trotzdem noch mehr Eier legten als Italiener-, Ramelsloher-, Maran- oder Araucanahennen (von den Brahmas mal ganz zu schweigen)).
Die Krux mit den Hühnern 2 (vom 28.6.2013)
Meine Zweifel an dem klassischen Legehennensystem habe ich ja schon in „Die Krux mit den Hühnern“ vor ein paar Wochen beschrieben.
Inzwischen gab es ein paar positive Rückmeldungen, die mich ermutigt haben mich nochmal bisschen in die Materie zu vertiefen.
Da die Rückmeldungen zum Teil aus dem Kreis der Mitglieder unserer CSA-Gemeinschaft kamen, habe ich gestern Nacht in meinen Hühnerbüchern und dem Internet gestöbert, um eine Auswahl von Rassen zu bekommen, die als Rassehühner sowohl für die Mast der Bruderhähnchen, als auch für den Legebetrieb geeignet sind – sprich sich in der Eierleistung möglichst den Lohmann-Hybriden annähern.
Das Ergebnis war ein bisschen ernüchternd, die
„Lohmann Brown Classic“ die wir auf Pente in den letzten Jahren hatten, legen in einer 12-Monatigen Legeperiode laut Lohmann etwa 300 Eier, bei uns werden es vielleicht um die 285 sein.
Die meisten Zwiehuhnrassen (Zweinutzungs-) die für mich interessant schienen legen laut Rassebeschreibung, was höchstwahrscheinlich z.T. nicht so intensiv auf Leistung zielt, realistisch zwischen 160 und 240 Eier, wobei die meisten so zwischen 180 und 200 liegen.
300 gegen 240 geht ja noch, aber schon 200 Eier wären ein Drittel weniger von Tieren mit schlechterer Futterverwertung.
Als ich meine „Ergebnisse“ und Bedenken heute auf dem Hof ein bisschen herumgetragen habe, wurde ich wieder bisschen auf den Boden gebracht und an meinen eigenen Ansatz erinnert – meine persönliche Meinung ist, dass 300 Eier pro Henne und Jahr utopisch und nicht gesund ist.
Fertig aus.
Als Bauer denkend allerdings, gibt es da noch den Ansatz der Wirtschaftlichkeit, die bei allem Idealismus auch immer gegeben sein muss – allerdings sollte man sich als Bioeierzeuger, Biobauer oder -konsument der die Menschen immer anhält doch die Augen offen zu halten, der vor Monsantos mit ihren Monopolen warnt, an die eigene Nase greifen und sich überlegen was das mit den
Cuxhavener Hennen denn eigentlich ist – ein Drittel aller weltweit verzehrten Eier kommt von Lohmann-Hennen aus Cuxhaven.
Just saying.
Auch ist der Wegwerfgedanke bei lebenden Tieren ein, wie ich glaube, auslaufender Ansatz – in der Rinderzucht wird jetzt auch wieder mehr darauf geachtet, dass die Tiere mehr als nur ein oder zwei Laktationen durchhalten.
Biobauern haben sich in der Rinder- und z.T. auch in der Schweinezucht von den konventionellen Linien bzw. Kreuzungen verabschiedet und versuchen alte Rassen züchterisch zu bearbeiten und dadurch in ihrer Vielfalt zu erhalten und trotzdem marktfähig zu sein.
Bei Mastschweinen kenne ich mich nicht aus, bei den
Holstein-Rindern gibt es aber krasse Beispiele wie z.B.
Hanoverhill Starbuck, einen Bullen, der 2003 Vater von 90% aller in Kanada geborenen Holsteins (und das sind bestimmt über 90% aller Milchrinder dort) und Ahn zu 65,8% der in Deutschland eingesetzten Besamungsbullen in 1999.
Das mal als Exkurs.
Den Ansatz des Verzichtens auf einen Teil des möglichen Ertrages haben die Milchbauern in der Bioszene den Hühnerhaltern voraus.
Viele züchten nach eigenen Vorstellungen in Richtung eines Tieres, das möglichst aus dem Grundfutter (Gras, Heu, (zunehmend verpöntermaßen gehört auch Silage dazu)) eine gute Milchleistung bringt und zusätzlich noch so viel Reserven hat, dass es ein paar Jahre leben kann.
Das heißt dann, dass eine Demeter-Kuh über Jahre je nach Rasse, Jahr und Lage des Hofes, aus Weidegang, Grünfutter und Heu problemlos zwischen 3800 und 6500kg Milch im Jahr geben kann.
Es geht auch bis zu 8000kg, aber dann wars das auch irgendwann.
In der konventionellen Landwirtschaft wird kaum unter 8000kg gedacht.
Eher Richtung 10.000-12.000, am besten aber gen 15.000 und darüber hinaus.
Und für Holstein-Bullenkälber kriegt man in NRW zum Teil nur 20-40 Euro.
Im Hunsrück immerhin noch 80-100 – aber der Kreis schließt sich, oder?
Die Hahnenküken sind in der klassischen Hybridzucht auch wertlos.
Das jetzt auf Hühner übertragen, dann wären selbst 180 Eier nicht all zu schlecht im Vergleich von realistischen 4000kg Milch gegen 8000.
Plus, man hätte pro Henne die diese 180 Eier produziert ein Brathähnchen das auch schmeckt.
Ein weiteres Thema in dem man sich ein Beispiel an der Rinderzucht nehmen könnte, wäre das Anzweifeln des Wegwerfgedanken: in der Bioland-Zeitschrift von letztem oder vorletztem Monat stand eine Auswertung von Versuchen, wo Halter ihre Hennen durch die Mauser (Federwechsel) gebracht haben.
Für Demeter-Bedingungen müsste man das Verfahren nochmal anpassen, weil Futter-, Wasser- und Lichtentzug auch temporär nicht erlaubt ist.
Und man muss die Tiere für kurze Zeit einem körperlichen Stress aussetzen, damit sie das Legen einstellen, das Federkleid komplett wechseln und dann regeneriert für weitere Monate legen können.
Es dauert zwar zehn Wochen bis die Hennen wieder bei voller Leistung sind – allerdings ist der Futterverbrauch pro Ei dann geringer weil die Tiere nicht mehr wachsen müssen, die Herde ist ruhiger und routinierter, was auch die Verluste minimiert, die Eier sind etwas größer und nach fünf bis sieben Monaten des Legens haben sich die finanziellen Verluste gegenüber dem Austauschen der Hennen wieder angeglichen.
Plus man hat einen Durchgang geschredderter Bruderhähnchen gespart.
Ich habe gestern 23 Rassen ausgesucht und geschaut was die Leistungen in Form von Körpergewicht und vor allem Legeleistung sind.
Allerdings ist bei den allermeisten das Problem, dass sie – obwohl ursprünglich als Leistungsrasse gezüchtet – seit dem Aufkommen der Hybridkreuzungen vor einigen Jahrzehnten von Schauzüchtern am Leben gehalten wurden, die vor allem auf äußere Merkmale selektiert haben und die Legeleistung weniger im Auge hatten.
Von den 23 Rassen sind 18 Zweinutzungsrassen, ungefähr fünf sind sehr alte Rassen, die meisten der Rassen sind vor dem Aufkommen der industriellen Kreuzungen zwischen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erzüchtet worden.
13 Rassen können laut Standart 200 Eier, aber eher weniger.
Ich werde die Rassen kurz anhand ihres Ursprungs auflisten, wer möchte kann sie im Internet suchen und drüber lesen, sonst werde ich in einem weiteren Blogpost aber auch nochmal kurz und knapp über die einzelnen Rassen schreiben.
Deutscher Ursprung: Niederrheiner, Dresdner, Deutsches Reichshuhn, Westfälischer Totleger, Ramelsloher, Vorwerk, Deutsche Sperber, Sundheimer, Lakenfelder.
Niederländischer Ursprung: Welsumer und Barnevelder
Französischen Ursprungs: Maran und Bresse Gauloise
Amerikanischen Ursprungs: Rhodeländer, New Hampshire, Plymouth Rocks, Leghorn.
Sonst noch Australorp aus Australien, Italiener ursprünglich aus dem Süden, aber in der Form in Holland und Deutschland erzüchtet, Sulmtaler aus Österreich, Orpington und Sussex aus England und Araucana die grüne Eier legen und von denen niemand genau weiß wo sie herkommen.
Wenn man jetzt mal losgelöst von der tatsächlichen Eierzahl auf die Rassen guckt und überlegt, was einem Einbußen im ein oder anderen Bereich (Eier oder Fleisch) wert sind, kann man sich auch weitere Bewertungsansätze überlegen, was wäre es einem wert eine gefährdete Rasse zu erhalten und weiterzuentwickeln, möchte man eine bestimmte Eierfarbe oder -größe?
Gibt es sonst spezielle Bedingungen die erfüllt sein wollen?
Ich könnte das jetzt noch weiter spinnen, aber ich denke, dass es für diesen Post, als weitere grundlegende Erklärung meiner Ansatzversuche, ausreicht.
Ich hoffe nur dass sich das Interesse aus der CSA-Gemeinschaft nicht zerschlägt, weil es ist nicht utopisch.
Ich habe mir ausgerechnet, dass, wenn 240 Menschen pro Woche im Schnitt drei Eier bekämen, 208 Hennen mit einer Legeleistung von 180 Eiern pro Jahr ausreichen würden.
Bei mehr Eiern pro Henne und Jahr würden entsprechend auch weniger Hennen ausreichen, wobei wir ja einen Stall haben der auf 225 Hennen ausgelegt ist.
Aber im Moment ist es noch Zukunftsmusik alles auf Rassegeflügel umzustellen, im Moment wäre nur interessant einmal eine Rasse auszuprobieren.
Vielleicht entsteht aus diesen Ansätzen ja tatsächlich etwas.
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