Bauernverband SH – der „Anti-PETA“
Eine schwierige Operation wird das
Ich habe lange überlegt, wie ich über den Bauernverband SH schreiben kann, ohne irgendwem auf den Schlips zu treten. Das Ding ist nämlich, dass der Ton auf dieser Facebook-Seite ziemlich rau ist. Knallhart wird gepöbelt, geschimpft, Stimmung gemacht und Leute beschuldigt. Das ist oft reiner Populismus.
Ironischerweise hat die Facebookseite vor ein paar Tagen die Definition von Populismus selbst geliefert (hier im vorletzten Absatz) „Der Duden definiert Populismus als eine „von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen (…) zu gewinnen“„. Der Texter fragt im Anschluss, ob sich der Deutsche Tierschutzbund dort wiedererkennt, ich erkenne aber auch die öffentlichen Beiträge des BVSH (ich bin mal so frei, „Bauernverband Schleswig-Holstein“ zu kürzen) darin wieder.
Das Ding ist, zum einen geht es mir unglaublich auf den Sack, die Parolen der Facebook-Seite immer wieder zu sehen und die Kommentare darunter zu lesen – gleichzeitig ist meine Meinung aber nur eine Meinung und so viele Leute können doch im Grunde nicht Unrecht haben. Außerdem zwingt mich keiner die Seite zu abonnieren. Ich wollte das Phänomen aber verstehen und verfolge die Äußerungen des deswegen seit einiger Zeit.
Wie muss man den BVSH also einordnen?
Ich bin heute darauf gekommen, ihn einfach mal als „anti-PETA“ zu bezeichnen, denn das ist er. Genau wie die PETA nimmt der Verantwortliche der Seite, Sönke Hauschild, Bilder und Videos und interpretiert sie, aus dem Kontext gerissen im eigenen Interesse. Das ist dem Dialog zwischen Tierschützern und Landwirten zwar nicht förderlich, aber dafür ist der Verband auch nicht zuständig. Die Aufgabe ist, den Bauern in einer Situation, in der sie von Politik, Medien und Tierschutz attackiert werden, den Rücken zu stärken. Das tut die Facebook-Seite wirklich ordentlich. Ob mir die Art gefällt oder nicht, ist nicht wichtig. Was ich mit „aus dem Kontext gerissen“ meine, werde ich nachfolgend zu ein paar Beiträgen erläutern.
Auf dem Bild wird gegen Naturschutzflächen geschossen. Es wird provokant gefragt, warum sich der Storch auf dem Fahrsilo aufhält und nicht auf dem Stiftungsland der Stiftung Naturschutz. Den Seitenhieb werden die Meisten vermutlich nicht mitbekommen haben, weil die Intimfeindschaft mit der Stiftung Naturschutz nicht jedem bekannt ist. Die einfache Antwort auf die Frage ist, dass Störche opportunistische Kulturfolger sind und in der frischen Silage nach vom Mähwerk erschlagenen Mäusen und Insekten suchen. Das ist einfacher, als im hoch bewachsenen Naturschutzgebiet zu auf die Suche zu gehen.
In dem verlinkten Video geht es vorgeblich um Massentierhaltung. Gesprochen wird mit einer Dame, die Anpaarungsberaterin des Rinderzuchtverbandes Schleswig-Holsteins ist. Aufhänger ist das Wortspiel „Massentier(haltung)“ vs. „Masse Tier“. Die paar Mutterkühe auf der Weide sind ganz klar keine Massentierhaltung, das kann jeder sehen. Bei den Suggestivfragen spielt die besuchte Frau Lucanus teilweise mit (beispielsweise dem Wortspiel „Masse Tier“), ansonsten sagt sie aber auch richtig gute Sachen, wie, dass es nichts über die Qualität der Haltung aussagt, wie viel Tiere auf einem Betrieb stehen. Das ist richtig. Es wird aber von Herrn Hauschild nicht drauf eingegangen den Punkt auszuführen, sondern gespielt-naiv weiter im Programm fortgefahren. Auf das suggerierte Hörner-Abschneiden (das in der Praxis glücklicherweise fast nicht stattfindet, weil die Hornansätze in jungem Alter thermisch oder chemisch verödet werden, also gar keine Hörner abzuschneiden sind (was gut ist, weil das ist dann wirkliche Quälerei)), antwortet sie mit der Zucht auf genetische Hornlosigkeit, die zwar in der konventionellen, EG-Bio und Bioland-Landwirtschaft eine Antwort auf das „Problem“ Hörner darstellt, aber nicht die Frage war. Auf die Frage nach den „Turbokühen“ am Ende antwortet sie, dass sie Turbokühe züchten, auch wenn sie es verneint. Ich finde den Begriff zwar sehr seltsam, aber wenn man auf die Frage, ob man züchterisch das Letzte aus den Tieren herausholen möchte (also „Turbokühe züchten“) damit antwortet, dass die aktuelle Züchtung darauf abzielt, dass man das genetisch veranlagte Potenzial ausschöpfen möchte, dann ist das eigentlich ein klares „Ja“.
Schlimm ist es nicht, was die Seite verzapft, denn es wird niemand deswegen verletzt. Aber es sorgt dafür, dass die Gräben tiefer werden. „Welche Gräben?“, mag man sich fragen, wenn man sich nicht wirklich für das Thema interessiert; es gibt im Internet einen erbitterten Kampf zwischen landwirtschafts- und tierschutznahen Stimmen, der babylonische Züge trägt. Die Bilder der PETA kennen wir alle, verschreckte und verdreckte Tiere auf Spalten oder in Blutlachen. Die Landwirte werden abgeurteilt und fühlen sich pauschal und zu Unrecht beschuldigt. Genau so, wie die meisten, reißerischen Beiträge der „Tierschutz-Lobbyisten“ eine überzeichnete Darstellung der Zustände sind, bedienen sich die Antworten des BVSH der gleichen Stilmittel.
Lange habe ich darüber nachgedacht, was ich davon halten soll. Inzwischen bin ich zu dem Schluss gekommen, den ich schon oben geschrieben habe. Der BVSH macht seinen Job und die Facebook-Seite ist ein gelungenes Sprachrohr. Ob ich mich, als Landwirt mit einem biologisch-dynamischen Hintergrund und einer ausgesprochenen Sympathie für ökologische Nachhaltigkeit und Naturschutz, darin wiedererkenne, oder repräsentiert fühle, ist eine andere Sache.
Noch eine letzte Bildinterpretation für die die mögen:
Das Bild zeigt schön, wie die Diskussion abläuft. Jeder schlägt in seine Kerbe. Der Bauernverband provoziert versucht-scharfsinnig, das Tierschutzbüro reagiert dramatisch und der BVSH schwadroniert dann. Vorausahnenderweise weiß der BVSH, dass ein kurz darauf ausgestrahlter Bericht bei SternTV nichts gutes bedeutet und unterstellt den Leuten die in der Mastanlage Kameras aufgehängt haben Sadismus, weil sie die Misstände ja nicht gemeldet haben, sondern die Bilder dem Tierschutz vorgezogen haben. Der Sauberkeitsunterschied zwischen Spalten und Wand wird damit begründet, dass sie Tiere sich instinktiv sauber verhalten. Der Teil mit den Instinkten stimmt, ob geschrubbt wurde oder nicht, weiß man nicht. Im Zweifel für den Angeklagten. Die Möglichkeit, den Tieren weitere natürliche Verhaltensweisen zuzugestehen, wird allerdings ausgespart, denn das wäre nicht im Sinne der Überzeugung. Der Post schließt mit dem Vorschlag an die Followerschaft, doch der Leitung der sternTV-Redaktion mit einem Anruf die Meinung zu verdeutlichen, was von der Facebook-Seite immer wieder vorgeschlagen wird und meiner Meinung nach ziemlich übergriffig ist.
Wie gesagt, der BVSH handelt seiner Aufgabe entsprechend. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass stumpfes aneinandervorbeireden nichts bringt. Von Seite der Bauern wird der Dialog durch solche Öffentlichkeitsarbeit verbaut. Von der „Gegenseite“ wird er aber genau so im Keim erstickt. Beschuldigungen rufen schlicht und ergreifend Abwehrreaktionen hervor. Deswegen glaube ich auch schon länger nicht mehr an eine Dialogbereitschaft der Interessensverbände. Die Tierschützer unterstellen der konventionellen Landwirtschaft Bösartigkeit, die Veganer jeder Landwirtschaft, die Bauern reagieren aggressiv und heraus kommt ein Spannungsfeld, in dem vermeintlich niemand die Möglichkeit hat ins Gespräch zu kommen. Glücklicherweise ist das nur ein Teil der landwirtschaftlichen Öffentlichkeitsarbeit.
Erik Hecht
Juli 15, 2017 @ 9:10 am
Hallo Ingmar,
Vielen Dank für den Artikel! Ich hatte bis dato noch nicht die Ruhe, mich mit der Facebook-Seite des BVSH so intensiv auseinander zu setzen wie Du, stimme Dir nach meinen Erfahrungen aber vollauf zu. Der BVSH ist zumindest auf Facebook keine Lösung für das Öffentlichkeitsproblem der Landwirtschaft, sondern fungiert als Verstärker, indem er keine konstruktiven Lösungenansätze anbietet, dafür aber ordentlich Stammtisch-Stimmung macht. Sollte der Herr Hauschild der Meinung sein, dass sich durch markige Posts auf Facebook irgendwie eine Besserung in der öffentlichen Diskussion einstellt, und damit auch eine langfristige Besserung des Images der Landwirtschaft, ist das eine gänzlich falsche Annahme. Es mag für einiges an Schulterklopfen in den eigenen Reihen sorgen; Das ist jedoch kein konstruktiver Weg, sondern der beschriebene Populismus. Benötigt werden andere Ansätze, wie die Offensive Nachhaltigkeit des WLV oder die erfolgreiche Interpretation der Kampagne „Wir machen“ durch den RLV.
Vielen Dank nochmals für den Artikel!