Kurz vorm Reset: Althennen bonitieren
Wer sich schon mal mit den Hintergründen der Eierproduktion beschäftigt hat, wird mitbekommen haben, dass da einiges im Argen liegt. Jedes Jahr werden Millionen und Abermillionen von Bruderhähnchen geschreddert, bzw. meistens vergast. Das ist so, weil die Zuchtlinien aus denen die Legehennen stammen so auf Eierproduktion selektiert sind, dass die Hähne – die ja bekanntlich keine Eier legen – wirtschaftlich absolut wertlos sind.
Die Legelinien sind darauf getrimmt möglichst viel Ei aus möglichst wenig Futter zu produzieren. Deswegen sind sie ziemlich schmale Hungerhaken, die ziemlich große Eier legen. Zum Vergleich, eine Henne der Rasse Vorwerk legt bei einem Körpergewicht von 2-2,5kg im Jahr 170 Eier von durchschnittlich 55g (untere Kante der Gewichtsklasse M ist 53g). Eine moderne Hybride legt bei einem Körpergewicht von ca. 1,9kg im Jahr 250 bis 300 Eier von etwa 60g. Das ist so zwischen M und L.
Einer der Gründe, weswegen so viele Bruderhähnchen mit ausgebrütet und dann als Eintagsküken getötet werden ist, dass die Legehennen nach einer sogenannten Legeperiode so auf sind, dass sie geschlachtet werden müssen. Sie haben für zehn bis 12 Monate jeden Tag ein Ei gelegt und sind nur noch Haut und Knochen. In der Natur gibt es bei Vögeln eine sogenannte Mauser, eine Regenerationsphase in der sie ihr Gefieder wechseln und wieder zu Kräften kommen. In der wirtschaftlichen Hühnerhaltung ist diese Phase aber vor allem eins: unrentabel. Die Tiere fressen, aber legen nicht. Deswegen werden sie in aller Regel zu diesem Zeitpunkt geschlachtet. „Sad“, um es mit Trumps Worten zu sagen.
Um das sinnlose Kükentöten zu vermeiden gibt es verschiedene Ansätze. Zum einen gibt es vom Landwirtschaftsministerium gesponsert ein fast praxistaugliches Verfahren um das Geschlecht der Embryos in angebrüteten Eiern zu erkennen, um dann die Hahnenembryos nicht weiter auszubrüten. Dann gibt es den Versuch die Bruderhähnchen aufzuziehen und zu vermarkten (ist OK, aber teuer und nicht die Art Hähnchenfleisch die die Kunden wollen). Ein dritter Ansatz ist die Zucht eines Zweinutzungshuhnes, das sowohl in der Lage ist ordentlich Eier und einen ordentlichen Braten zu produzieren. Das Problem ist, dass dann auch die Hennen mehr Futter pro Ei benötigen und Futter ist teuer, während Eier günstig sein sollen. Ein letzter Ansatz ist nun, die Hennen mausern zu lassen. Der Nachteil ist oben beschrieben, sie legen während der Phase keine Eier. Bis sie wieder bei einer Legeleistung von 100% sind, dauert es etwa zweieinhalb Monate. Der Vorteil ist, dass die Tiere danach eine noch bessere Futterverwertung haben als Junghennen, weil sie nicht mehr wachsen müssen. Dieses Verfahren mit der gemeinsamen Mauser der Herde ist noch ein ganz junges und noch nicht ganz erforscht. Um so stolzer bin ich, dass ich aktuell auf einem Betrieb bin, dessen Leiter sich nicht nur um den eigenen Gewinn scheren, sondern auch daran interessiert sind zum allgemeinen Fortschritt beizutragen.
Langer Rede, kurzer Sinn: ab Montag schicken wir unsere Herde Althennen in die Mauser und Romana Holle, die Hühnerbeauftragte des Ökoringes Schleswig-Holstein und Projektleiterin des „Seniorlegehennen“-Projektes war da um unsere Althennen zu bonitieren. Sie schaute also genau in welchem Zustand sie waren. Anhand eines Schlüssels der Uni Kassel dokumentierten wir, in welchem Zustand sich Schnabel, Kamm, Gefieder, Kropf, der Legeapperat, die Beine und das Brustbein befanden. Es war unglaublich interessant, Profis bei der Arbeit zu beobachten. Ich denke ja immer, dass ich so viel weiß, aber während des Bonitierens am Donnerstag habe ich mehr wirklich Sinnvolles über Hühnerhaltung und -pflege gelernt als je zuvor – und Hühner sind seit 15 Jahren mein liebstes Hobby.
Die letzten Wochen waren grandiose Praxis und ich habe viele meiner Vorurteile großen Beständen gegenüber über Bord geworfen. Die Herdengröße sagt nichts über den Gesundheitszustand der Tiere aus. Ich habe noch nie so gut befiederte Hennen am Ende einer Legeperiode gesehen wie hier auf dem Hof. Und, wie gesagt, ich halte seit 15 Jahren selbst Hühner und habe auch in der Lehre mit Legehennen im Mobilstall gearbeitet. Keine Chance. Ankersolt rulez. Das hat auch unsere Bonitierung ergeben. Auf dem Bonitierungsbogen wird nach Indikatoren für das Tierwohl gefragt, beispielsweise wie stark Federpicken in der Herde ist. Garnicht so einfach zu erkennen, habe ich heute gelernt. Es fängt nämlich nicht mit ausgepickten Federn an. Irre interessant.
Ich werde auf jeden Fall noch mehr über die Mauser und die damit verbundene Möglichkeit schreiben, Tiere nicht nur ein Jahr lang als Legehenne zu halten, sondern zwei. Vielleicht ja in Zukunft mal noch länger? Mal schauen, wie die Hennen die Mauser überstehen. Um sie dazu zu bringen, sich selbst zu resetten muss man die Tiere einem gewissen Stress aussetzen, der eigentlich gemäß der Bio-Richtlinien verboten ist. Die Mauser beginnt mit einer Fastenkur um die Wellness, das Detoxen und Resetten einzuleiten. Die Tiere bekommen viele Ballaststoffe und wenig Verwertbares um die Mauser zu initiieren, dann geht es daran, das Federkleid auszutauschen und das in Eierschalen investierte Kalzium in den Knochen wied er aufzubauen. Mal schauen wie es wird…
Max
September 3, 2017 @ 9:12 am
hey, finde ich sehr interessant dass ihr das mit der Mauser mal versucht. hab mich auch schon öfter gefragt, ob das nicht was sehr sinnvolles wäre (moralisch gesehen in jedem Fall), aber auch wie man es praktisch umsetzen kann.
der Punkt, dass die Hennen nach der Mauser eine bessere Futterverwertung haben ist ja ein dicker Pluspunkt, daran hatte ich z.B. nie gedacht, obwohl’s ja eigentlich logisch ist.
du schreibst die Hennen würden nach der Mauser wieder 100% Legeleistung erreichen: der Dozent beim Geflügellehrgang den ich in der Ausbildung absolviert habe meinte allerdings die Hennen würden nach der Mauser nie wieder auf das absolute Maximum der ersten Legeperiode kommen. Die Experten mit denen du zu tun hattest sind da anderer Meinung?
wird neben der Futterumstellung auch irgendwie das „Lichtprogramm“ geändert? die Temperatur? ihr macht das ja jetzt mitten im Sommer, geht das ohne Probleme oder wäre Winter prinzipiell besser (allein wegen des Lichts beispielsweise)?
worüber man allerdings schon noch nachdenken muss: auch wenn die Hennen dann über zwei Legeperioden legen und leben dürfen, ändert man mit einer Mauser ja das grundsätzliche Problem noch nicht, denn man reduziert dann die anzahl der getöten männlichen Küken „nur“ um 50%. also ein Zweinutzungshuhn macht doch trotzdem Sinn, oder? Dann ist das Ei eben einfach teurer…
also ich hoffe du schreibst hier noch ein bisschen was über den Verlauf der Mauser! viel Erfolg dabei!
Ingmar
September 6, 2017 @ 8:05 pm
Moin Max,
Danke für den Kommentar!
Ich habe versucht, Zeit zu finden um den Ausgang der Legepause zu dokumentieren, die Arbeit geht aber vor. Ich werde mich schnellstmöglich dran setzen! Als kleine Vorschau: vor zwei Wochen waren die Tiere bereits wieder bei knapp 95%, dann haben wir aber den Weizen in der Futterration mit diesjähriger Triticale ersetzt und beide Herden sind etwas in der Leistung abgefallen, haben sich aber schon wieder gefangen. Die Beobachtungsphase was die Leistung angeht ist also noch nicht abgeschlossen.
Lieben Gruß,
Ingmar
Profi-Legehennenmanagement: auch für Hobbyhalter Gold wert – Der Hofhuhn-Blog
November 23, 2017 @ 7:28 pm
[…] habe bereits ein paar Tage nach meinem Start in den Job hier auf Hof Ankersolt in einem Blogeintrag davon geschwärmt, wie viel ich bei einem Tag Legehennen-Bonitur mit der Geflügel-Beraterin […]