Galli schmackofatz est: Der Geschmack der Hähne
Es ist Januar. Die letzten Tage war alles gefroren und ich komme kaum einmal dazu, mich um die wilde Welt von „Hofhuhn“ zu kümmern. Ein Blogeintrag, den ich schon lange vor mir her schiebe ist der, über das Feedback zu dem Hahnenfleisch, dass ich im ersten Jahr verkauft habe.
Selbstlob stinkt. Das habe ich früh gelernt. Auch wenn es in der Bloggerwelt wahrscheinlich gar nicht weiter auffallen würde, wenn ich alles als „so toll“ und „einfach unglaublich“ bezeichnen würde, käme ich mir dabei irgendwie falsch vor. Auch wenn es stimmen würde. Hahnenfleisch ist ein heißes Pflaster. Tatsächlich ein Thema voller Halbwissen. Alleine auf meine wenige Beiträge zu den Schlachthähnen, die ich auf Instagram und Facebook veröffentlicht habe, kamen eine ganze Reihe von Kommentaren aus der Kategorie „ja, geschmacklich super, mir aber einfach zu zäh“, oder „nur was für die Suppe“. Ohne, dass die Kommentatoren auch nur auf 100 Kilometer in die Nähe meiner Tiere gekommen wären. Das ist aber die allgemeine Annahme gegenüber ausgewachsenen Hähnen: sie würden nichts taugen.
Ehrlich gesagt, war das auch meine eigene Befürchtung, als ich Mitte September das erste Mal Tiere zum Schlachter gebracht habe. Der erste Eindruck beim Abholen machte es nicht besser: nur wenige der Tiere hatten erwähnenswert mehr als einen Kilo Schlachtgewicht und mit den langen Beinen und schmalen Brüsten erinnerten sie eher an Suppenhühner, denn als etwas, von dem man satt werden könnte. Ein offener Geist wird allerdings oft genug belohnt; so auch bei den Hähnchen. Freunde von mir, die ich für das Hähnchentasting eingeladen hatte, waren wenig zimperlich und wir bereiteten sie nach Jamie zu, mit Zitrone im Hintern. Ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen, wie besonders langer Garzeit bei niedriger Temperatur zum Beispiel, waren sie lecker. Nicht nur lecker, sondern großartig lecker. Natürlich, es war weniger dran als an einem Hähnchen aus dem Supermarkt, aber für mich war es wie bei gutem Wein: ich hatte überhaupt nicht das Bedürfnis, unbedingt so viel mehr davon zu essen. Ich hatte die Tiere über 140 Tage lang betreut, wusste wie viel Arbeit, Futter und Bewegung in jedem Gramm dieses Fleisches steckte und war am Ende schon satt und zufrieden, als es sogar noch einiges zum Nachnehmen gegeben hätte.
Was hinter dem ganzen Aufwand steckt?
Die Idee, dass man Hühner wieder so halten sollte, wie es ihnen am besten geht: als Resteverwerter im Hoforganismus. Nicht so viele, dass sie in Nahrungskonkurrenz zum Menschen treten und vor allem so, wie es eines Tieres würdig ist. Deswegen gibt es mein „Hofhuhn-Projekt“. Ich züchte Hühner. Echte Hühner, die ich nicht nach einer Legesaison auswechsle, deren Brüder entweder am ersten Tag getötet, oder nur über Solidarheller aufgezogen werden, sondern „Hühner“. Die Hennen legen Eier, die Hähne liefern Fleisch. Der Plan ist, die Hennen drei oder sogar vier Jahre alt werden zu lassen und die Hähne versuche ich so aufzuziehen, dass sie das bestmögliche Produkt ergeben. Das ist allerdings nicht nur eine Herausforderung für mich als Landwirt, sondern immer mehr auch für mich als Blogger und Botschafter „einfach guter Produkte“. Es ist nämlich eigentlich nichts besonderes. Sollte es zumindest eigentlich nicht sein, immer mehr stellt sich aber heraus, dass es außergewöhnlich ist, Hühner so zu halten wie sie meiner Meinung nach gehalten werden sollten.
Den Mitarbeiterinnen, denen ich im Herbst jeweils ein Hähnchen mitgegeben hatte, erging es sehr unterschiedlich. Die eine folgte ihrem Instinkt, kochte es aus und machte Frikassee, die andere folgte ihrem Instinkt, verzichtete auf langzeitgegarten Schnickschnack und war in zwei Stunden fertig. Von beiden kam ein super Feedback, wobei mir beim Gedanken ans Frikassee doch noch ein bisschen das Herz blutet. Dieses Mal waren zwei andere Mitarbeiterinnen dran. Die eine nahm ein Hähnchen, die andere Teilstücke. Von den Teilstücken habe ich bisher noch nichts wieder gehört, zum Hähnchen gab es aber ein Feedback voller Drama: Im Wissen um die gute Eignung für eine kurze Garzeit kam Frau H.K. im Besitz des Hähnchens nachhause. Dort wurde sie allerdings umgehend der Zuständigkeit enthoben, ihr Sohn wollte ein langsames Garen bei 120°C ausprobieren. Während das Riskieren einer kurzen Garzeit eine, mit zwei Stunden nur kurze Leidenszeit bedingt, müssen die fünf Stunden um den Backofen herumtigern und sich besorgte Hinweise verkneifen eine harte Übung gewesen sein. Wie hat wer schlaues mal in diesem Text geschrieben „Ein offener Geist wird belohnt“ und auch zum langzeitgegarten Hähnchen kam eine enthusiastische Rückmeldung. Eine weitere bekam ich diese Woche von einer Kollegin, die im Herbst über Umwege an eines der Hähnchen gekommen ist. Sie wollte mir nochmal sagen, dass meine Empfehlung (gaaanz vom Anfang, als ich es selbst noch nicht richtig wusste), dass man das Tier besser vorkochen und lange garen solle, auf keinen Fall nötig sei. Im Bräter nach Standardrezept ist kein Problem. Das Fazit also aus den Rückmeldungen der Privatköchen: man kann es nicht falsch machen.
Muffensausen bei den Profis
Etwas mehr Muffensausen hatte ich allerdings bei den Profis. Als genussaffiner Hühnerhalter war ich natürlich nicht nur an der Meinung meines Umfeldes interessiert (ich bin sehr groß, sehr stark und sehr gefährlich, das könnte das ungetrübt positive Feedback begründet haben), sondern auch daran, was Küchenprofis von meinen Bemühungen denken. Drei der Hähnchen vom ersten Durchgang gingen nach München, von denen zwei bei David Seitz, der Schlaraffenwelt und Fleischglück (Co-)betreibt, in den Dry Ager wanderten. Von diesen zwei wanderte eines weiter zu Vincent Fricke, der mir immer wieder durch eben die „Offenheit des Geistes“ aufgefallen ist, die ich mir für eine realistische Einschätzung des Produktes „Hofhahn vom Bornwiesenhof“ erwünschte. Was soll ich sagen. Das Feedback ging von „der intensivste Hühnergeschmack je“ bis zu einer Bestellung meiner gesamten Produktion des kommenden Frühjahres. Positiv also. Der Austausch mit David und Vince brachte mich auf einen neuen Gedanken. Naheliegend, aber doch nicht selbstverständlich. So wie man in einer neuen Burgerbar immer mit einem Cheeseburger beginnen sollte, um die handwerkliche Qualität herauszufinden, dachte ich immer, dass das klassische Brathähnchen die beste Art ist, den Geschmack des Hahnes herauszufinden. Es ist wahrscheinlich in Wahrheit nur die beste Art, die Händelbarkeit des Hahnes festzustellen, ich glaube das zeigt der Exkurs zu den Privatköch*innen oben. Die Profis allerdings testeten das Tier in Portionen. Sie lösten die Brustfilets aus und brieten sie auf der Haut. Sie schmorten die Oberschenkel als Coq au Vin, garten die Unterschenkel Sous Vide und zeigten mir ganz neue Wege im Umgang mit einem Produkt. In der Vergangenheit habe ich mich selbst oft im ambitionierten Hobbybereich bewegt, auf einmal taumelte ich durch die hehren Hallen der Gourmets.
Auch ein Freund von mir, der im Nachbardorf wohnt und als Koch arbeitet, bereitete die Ober- und Unterschenkel Sous Vide zu. Dann ging es für die Knusprigkeit auf einem Kuchengitter über die Flamme der Küchenhexe und anschließend mit einem Salat und einem Senfeis auf den Teller. Andere Freunde begannen sogar mit dem Nutzen von Satzzeichen und das Feedback endete mit drei Ausrufezeichen, wo die Jahre des vorherigen Austausches eher ohne unnötigen Schnickschnack vonstatten gegangen sind.
Das schöne ist, dass der Plan funktioniert. Es lohnt sich, Hähnchen länger als die in der Standardmast üblichen „paarunddreißig Tage“, die in der Bio-Haltung vorgeschriebenen 81 Tage oder die etwas über 100 Tage im Gourmetbereich aufzuziehen. Die jüngsten Hähnchen, die, die ich im September habe schlachten lassen waren 144 Tage alt, die ältesten, die ich jetzt im Dezember habe schlachten lassen, 191 Tage. Ein Bekannter von mir sagt, sein Traum wäre, seine Hähne an die 230 Tage aufzuziehen, vielleicht mache ich das im kommenden Jahr auch mal für einen Durchgang. Realistischer sind aber so zwischen 170 und 200 Tagen, denke ich. Dann sind die Tiere ausgewachsen und setzen trotz ihrer schlanken Genetik ein bisschen Fleisch an und – noch viel wichtiger – Fett. Sie lagern im Bauchraum und unter der Haut Fett ein und das sorgt für einen „typischen Hähnchengschmack“. Hä? Genau. Hahnenfleisch hat nämlich Eigengeschmack und zwar einen tollen. Als ein Freund und ich ein Brustfilet, mit Haut gebraten, nur mit einer Prise Salz gewürzt, verköstigt haben, dachte ich, dass es das hat, was man an einem Brathähnchen so lecker findet. Es hat allerdings nicht das, was man an einem Brathähnchen dann eigentlich nicht so geil findet. Die mehlige Struktur des Brustfleisches oder die gummiartigen Sehnen am Schenkel. Schwer zu beschreiben. Muss man gekostet haben. Entweder, in dem man als Hühnerhalter den Geist offen und die Ohren zu, das Krähen der Hähne ein paar Wochen aus-, die Hähne etwas länter und am Ende ein wirkliches Spitzenprodukt in den Händen hält, oder indem man Glück hat, bei mir im Herbst ein Hähnchenpaket zu ergattern, von denen es nicht viele geben wird. Die Nachfrage ist jetzt schon groß. Köche, Fleischhandlungen und Privatpersonen fragen mich immer wieder an, aber Teil der Hofhuhn-Projekt-Philosophie ist, nicht so viele Tiere zu produzieren wie man verkaufen könnte, sondern so viele, wie der Hof mit hofeigenem Futtergetreide und Resten aus der Käserei ernähren kann und diese Zahl ist begrenzt.
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