Gedanken zur Zucht der Silverudds Blå
Ich bin gebeten worden, ein paar Gedanken zu Silverudds Blå und Kriterien zur Zuchttierauswahl zu formulieren. Da gerade viele ganz neu mit ihren Tieren sind, oder auch einfach ein paar Tiere zur reinen Freude halten wollen, ist diese Zusammenstellung natürlich nicht für alle Halter*innen relevant. Da es aber auch wirklich viele Menschen gibt, die sich mit an der Verbreitung und Weiterentwicklung der Rasse arbeiten wollen, gibt es eben auch viele, die sich mit dem Thema Zucht ein bisschen beschäftigen wollen. Ich versuche es deswegen zu einem kleinen Rundumschlag zu machen.
Eine große Rolle spielen in der Praxis die handwerklichen Grundlagen der Hühnerzucht. Auf diese werde ich in diesem Text nicht groß eingehen, weiter unten ist aber meine Lieblingsquelle verlinkt, die wichtigsten Informationen ohne viel Buhei aufgeschrieben hat.
Warum die Rasse Silverudds Blå heißt und „Schwedische Isbar“ falsch ist, kann man hier nachlesen.
Rasseprofil: SB sind eine sehr leichte und sehr leistungsstarke Legerasse, die sich durch ein breites Farbspektrum an grünlichen Eiern von vielen anderen Legerassen abhebt. Die Eigröße ist mit 55-65g angegeben und die Legeleistung laut offiziellem Profil mit 250 Eiern im ersten Legejahr. Beides sind Zielwerte, die aktuell von nur wenigen Tieren beide wirklich erreicht werden. Werden sie allerdings annähernd erreicht, bewegen sie sich leistungstechnisch in dem Bereich, den einige Hybridlinien in der Landwirtschaft auch fahren. Kombiniert mit einem Hennengewicht von etwa 1,5-2kg und Hähnen um 2,5kg bei einem, trotz der Größe und reinen Legeausrichtung der Rasse, recht kompakten Schlachtkörper, können sie als effiziente Futterverwerterinnen und attraktive Brathähne auch wirtschaftlich interessant werden.
Herkunftsnachweis: Die von der Svenska Kulturhönsföreningen (SKF) und uns anerkannten Tiere gehen alle zwingend nachvollziehbar auf sieben Bestände zurück, die von der SKF in mehrjähriger Recherche als Grundlage zur Weiterzucht festgelegt wurden. Die sieben als unverfälscht bewerteten Bestände waren nur ein kleiner Teil der damaligen Population und auch heute ist es so, dass es in Schweden parallel SB inner- und außerhalb der SKF gibt.
>>> Mehr Infos zu den sieben Linien hier
Äußeres: Bindende Vorgaben zum Äußeren gibt es von der SKF nicht; was aber nicht heißt, dass das Äußere zu vernachlässigen ist. Primär sollten bei der Zuchttierauswahl Leistungsmerkmale berücksichtigt werden. Das heißt, dass grobe farbliche Fehler bei Tieren mit hervorragenden Leistungsmerkmalen toleriert werden können und auch nur dort sollten. Ziel ist ein möglichst einheitlich blaues Huhn, die allgegenwärtige Birkenfarbigkeit der Tiere ist allerdings ausdrücklich geduldet. Der gewöhnlichste grobe Fehler ist ein gezeichnetes Brustgefieder bei Henne oder Hahn, also ein Überhandnehmen der Gefiederzeichnung. Rezessiv veranlagt sind in der Rasse wohl Porzellanfarbigkeit, Wildfarbigkeit und Weiß, was ebenfalls klar unerwünscht ist, aber für gewöhnlich nicht vorkommt.
Gefieder: Die SB haben als Grundfarbe ein Schwarz, bzw. Birkenfarbig, das sich bei den Küken und Junghennen oft auch durch dunkle, grau-, schwarz- oder auberginfarbene Hautpartien im Gesicht und im Kopfbehang ausdrückt. Aufgehellt ist das Schwarz im Gefieder typischerweise zu einem Blau. Durch die Spalterbigkeit der blauen Gefiederfarbe bei Hühnern treten SB folglich in den Grundfarben Schwarz, Blau und Splash auf, bzw. Birkenfarbig, Blau-Birkenfarbig oder Splash-Birkenfarbig. Die farbigen Partien sollten sich bei den Hähnen auf die Schmuckfedern an Hals, Rücken, Sattel und Schultern beschränken. Bei den Hennen auf den Kopf, maximal den Hals. Zeichnung in der Brust oder an den Federspitzen in anderen Partien ist unerwünscht. Bei der Gefiederfarbe kann man sich bspw. an blau-birkenfarbigen Marans oder Zwerg-Niederrheinern orientieren, wobei die farbigen Partien bei den SB sowohl in Silber als auch – seltener – in Gold vorkommen.
Körperform: der Typ der SB ist nicht ganz einheitlich. Grundlage bei der Erzüchtung waren vor allem klein gewachsene New Hampshire (25%) und Rhode Island Red (75%), weswegen die Kastenförmigkeit dieser beiden Rassen auch bei den meisten SB zu finden ist. Das Gewicht der Silverudds ist aber wesentlich geringer als das der NH oder RIR. Einen passenden Vergleich zu Größe und Körperform finde ich braune ÖTZ-Hybriden. Es gibt aber auch Linien die ein wenig kompakter als der Durchschnitt sind, genau wie etwas schlankere Linien. Im Vergleich zu den Hennen sind die Hähne häufig nur unwesentlich größer. Im Vergleich zu anderen Rassen relativ klein also. Sie sind, außer bei den schlankeren Linien, oft von einer eher gedrungenen Körperform, stehen sehr aufrecht mit breiter Brust und haben oft auffallend große und fleischige Kehllappen und Kämme, deren Fahne häufig der Nackenlinie folgt. Doppelzacken und solcherlei kommen vor, sind züchterisch aber nicht zu beachten. Bei vielen – aber nicht allen – Hennen ist mir die starke „Gesichtsbehaarung“ aufgefallen, also dass das Gesicht bis zwischen Auge und Schnabel fein befiedert ist.Die Beine sind meist Schiefer- oder Grüngrau, bei splashfarbenen Tieren oft aber auch heller oder gefleckt. Die Sohlen sind in der Regel hell, oft aber auch die ganzen Zehen. Bei schwarzen Tieren oft weniger, bei splashfarbenen mehr. Das Horn von Schnabel und Krallen ist meist dunkelgrau, bei schwarzen Tieren mit hellen Kanten, bei blauen und splashfarbenen Tieren oft gezeichnet oder gefleckt.
Zuchttierauswahl: Aktuell befinden wir uns bei den SB in Deutschland in einer Vermehrungsphase um die genetische Basis etwas breiter aufzustellen als bisher. Das bedeutet, dass bei der Auswahl der Tiere für die Zucht im Moment nicht so scharf selektiert werden muss, wie es in den nächsten Jahren passieren sollte. Daraus folgt, dass gesunde Tiere dieses Jahr in aller Regel in der Zucht verbleiben können. Wer die Möglichkeit hat, sollte aber bereits jetzt versuchen, sich mit der Bewertung von Zuchttieren auseinanderzusetzen und in dieser eine gewisse Routine zu entwickeln. Eine gute Quelle dafür ist das Chicken Manual des American Lifestock Conservancy, dessen Übersetzung noch in Arbeit ist. Generell gilt: wollen wir züchterische Fortschritte machen, müssen wir mit den besten Tieren arbeiten. Je schärfer wir selektieren, desto schneller und nachhaltiger sind die Fortschritte und desto schneller kommt die Rasse auf das Niveau mit dem sie beworben wird. Wer also die Möglichkeit hat, Jungtiere drei Monate aufzuziehen, sie anhand der Merkmale des Chicken Manuals zu beurteilen und die weniger guten Tiere an reine Liebhaberhaltungen abzugeben, sollte sie nutzen. Immer von allen Tieren Bruteier zu gewinnen und zu verkaufen ist zwar vielleicht finanziell interessant, insbesondere bei den aktuell aufgerufenen Preisen für SB-Bruteier, hilft der Rasse aber nicht weiter. Im Gegenteil: Lieber mit wenigen guten Tieren arbeiten.
Zuchtziele und Ausschlusskriterien:Von der Zucht ausgeschlossen werden sollten rigoros alle Tiere, die braune Eier legen. Ebenfalls verzichtet werden sollte auf Tiere, die keine gute Gesamtkonstitution haben. Das sollte zwar selbstverständlich sein, ist aber nicht die Regel, weil kränkliche Tiere verständlicherweise oft einen besonderen Platz im Herzen der Halter einnehmen. Aussortieren bedeutet ausdrücklich nicht töten: wer bei kleinen Hennengruppen einen Überblick hat, kann die Eier kränklicher Tiere aussortieren, wer so viele Tiere hat, dass der Überblick nicht da ist, sollte Platz haben eine Gruppe an nicht-Zuchttieren zu etablieren oder Kontakte, die Freude an außergewöhnlichen Tieren haben.Das Ideal der Rasse ist ein leistungsstarkes Legehuhn, das in der Lage ist, über viele Jahre gesund und produktiv alt zu werden. Daran sollten wir gemeinsam arbeiten. Dazu kann ich nur immer wieder das Chicken Manual empfehlen, es erklärt nicht nur die anatomischen Merkmale die mit guter Gesundheit und guter Leistung korreliert sind, sondern auch wie man sie gewichtet und in welcher Reihenfolge über die Jahre mehr und mehr Merkmale bei der Zuchtauswahl eine Rolle spielen können.
„Grünlegergen“ (O-Gen): Ein großes Thema ist das Grünlegergen. Es wurde auch in der Facebookgruppe immer wieder aufgebracht und ich habe dort auch schon ausführliche Texte zu dem Thema geschrieben. Die grüne Eierschalenfarbe ist zwar eines der bezeichnendsten Merkmale der SB, eine Reinerbigkeit auf das Gen ist züchterisch allerdings sehr viel einfacher zu erreichen als Leistungsmerkmale. Für das Grünlegergen mischerbige Tiere zeugen zu einem soliden Anteil reinerbige Tiere die man selektieren kann wenn der Stand der Rasse so weit ist, während man aus der Verpaarung leistungsschwacher Tiere mit Sicherheit keine „Legemaschinen“ bekommt. Also: braun legende Tiere werden aussortiert, die dann mischerbigen Elterntiere gerne auch – allerdings nur, wenn sie züchterisch verzichtbar sind.
Fehlinterpretationen: Von der kolportierten Reinerbigkeit auf das „Grünlegergen“ kann man zu einigen weiteren falschen Annahmen über die SB kommen, die vor allem im deutschen Internet kursieren. Ich führe diese falschen Annahmen darauf zurück, dass nicht verstanden wurde, dass es viele Leerstellen bei den SB gibt, fehlende Informationen also. Diese Leerstellen wurden teilweise mit persönlichen Interpretationen gefüllt, die wiederum aufgrund fehlender „echter“ Informationen als allgemeine Fakten übernommen wurden. Größte Fehlannahme ist tatsächlich, dass es einen leichteren und einen schwereren Typ von SB gibt. Fakt ist, dass es zwischen den Linien eine gewisse Varianz an Größe, Gewicht und Körperform gibt, dokumentierte und getrennt voneinander geführte leichtere oder schwerere Typen aber nicht. Dasselbe gilt für die überall zu reproduzierten „Rassemerkmale“ der grünen Lauffarbe und dunklen Knopfaugen: beides sind wünschenswerte Merkmale die mit der dunklen Grundfarbe der SB daherkommen, aber keine echten Kriterien bei der Zuchtauswahl. Es gibt vor allem in Schweden Züchter*innen, die aus persönlicher Vorliebe ausschließlich splashfarbene Tiere halten, bei deren Verpaarung sich die Hautpartien, Füße und Augen schnell aufhellen.
Zu meiner Person: Ich bin im SB DACH e.V. mit der Rolle des Koordinators betraut worden. Ich selbst hatte 2011 erstmals Silverudds Blå-Tiere – damals allerdings ohne es zu wissen – und habe seit September 2018 mehrfach Bruteier aus Schweden importiert und mir so langsam einen Zuchtbestand aufgebaut. Mein Ziel war von Beginn, möglichst viele der Linien in meinem Bestand zu vereinen, weil ich anfangs niemanden in SB-Deutschland als seriös und mit offenen Karten arbeitend erkennen konnte. Inzwischen hat sich die Situation allerdings stark geändert und durch die Austauschmöglichkeiten innerhalb des SB DACH habe ich die Möglichkeit, mich auf ein paar wenige Linien zu konzentrieren.
Dadurch, dass ich nach der Schule fast zwei Jahre in Schweden verbracht habe, hatte ich die Möglichkeit, die vorhandenen Informationen zur Rasse in der Originalsprache anzuschauen und bin so tatsächlich auf die vielen Fehlinterpretationen auf den hiesigen Homepages gestoßen. Von Beginn an habe ich mich als Mitglied der Svenska Kulturhönsföreningen angeschlossen, die in Schweden die Zucht der SB koordiniert. So bin ich dann auch auf Joachim gestoßen, der 45 Minuten entfernt von mir, ebenfalls auf Direktimporte gesetzt hat und mit dem ich seitdem im intensiven Austausch bin. Joachim ist gleichfalls Mitglied und anerkannter Züchter der SKF.
Ebenfalls im intensiven Austausch bin ich mit Andreas, der in Schweden die Zucht der SB koordiniert und der mir noch viel mehr als meine Schwedischkenntnisse dabei geholfen hat, die dünne Faktenlage zu den SB einzuordnen und der uns als SB DACH e.V. sehr dabei unterstützt, Zuchtmaterial von der SKF zu bekommen.Mein Ziel als Landwirt ist es, die SB züchterisch auf einen Stand zu bringen, in dem sie eine verlässliche Alternative zu den allgegenwärtigen Legehybriden in der Landwirtschaft darstellen. Die SB sind eine spektakulär unbekannte Hühnerrasse mit einem großen Potenzial die Narrative der Eierproduktion auf den Kopf zu stellen und in die Phalanx der Hybridproduktion einzubrechen.
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