Satt mit Ausrufezeichen!
Am Samstag wird in Berlin demonstriert. „Wir haben es satt!“ ist das Motto. Zum zehnten Mal gehen dieses Jahr die Demonstrant*innen gegen die Agrarindustrie und für eine Agrarwende, hin zu klimafreundlicher, bäuerlicher Landwirtschaft auf die Straße. Ich werde nicht mitdemonstrieren, obwohl ich inhaltlich hinter den meisten Punkten stehe.
Das vergangene Jahr war eines voller Demonstrationen. „Wir haben es satt!“ zum Auftakt der Grünen Woche wurde mit einem „Wir machen euch satt!“ aus der Landwirtschaft gekontert. Im Herbst veranstaltete die Initiative „Land schafft Verbindung“ eine Reihe von Bauerndemos in Städten und auf Veranstaltungen mit Umwelt- und Agrarpolitiker*innen. Auch dort bin ich nicht mitgelaufen oder mit dem Traktor mitgefahren.
Gründe zu demonstrieren
Vielleicht habe ich etwas Grundlegendes über Demonstrationen nicht verstanden. Mein Grund aber, warum ich nicht mitdemonstriere ist, weil ich das Gefühl habe, dass sich die Wut der Demonstrierenden am Samstag gegen die Falschen richtet. Auch wenn sich „Wir haben es satt!“ offiziell an die Politik und gegen Großkonzerne wendet, so sind es doch die Bauern, die es trifft. Die Fronten sind verhärtet. Die Veranstalter von „Wir machen euch satt!“ und „Land schafft Verbindung“ haben sich formiert, weil sie sich vom nichtlandwirtschaftlichen Teil der Gesellschaft zu Unrecht verurteilt fühlen.
Mein Gefühl bei der Sache ist, dass es Massendynamiken sind, und man dran Teilnehmen muss, um als von seiner Meinung überzeugt zu gelten. Ich finde aber, dass man von einem differenzierten „wofür/wogegen bin ich“ viel zu leicht zum gefährlichen „gegen WEN bin ich“ kommt. Dieses „gegen wen bin ich“ sehe ich bei „Wir haben es satt!“ oft sehr konkret gegen alles gerichtet, was kein Biosiegel trägt. Bei „Wir machen euch satt!“ gegen alles, was in irgendeiner Form am Status quo der Landwirtschaft rüttelt. Das ist nicht richtig. Beides nicht.
Um ein leidenschaftlicher, bäuerlicher Landwirt zu sein der seine Arbeit gut macht, muss man nicht auf Bio umstellen. Im Umkehrschluss ist Bio nicht die Lösung für alle Punkte von „Wir haben es satt!“, oder alles was auf der Welt falsch läuft. Weil ich weiß, dass das Internet Texte gerne nur halb liest: ich bin von der Richtigkeit der ökologischen Wirtschaftsweise überzeugt. Keines der Siegel und vor allem das EU-Bio-Siegel, gehen mir auch nur annähernd weit genug: der konventionelle Bauer nebenan ist aber das falsche Ziel für den Frust. Seine Hauptschuld ist, dass er der Einzige vor Ort ist, gegen den sich die Wut richten kann.
Keine Hilfe in Sicht
Die Großkonzerne und Politiker, an, bzw. gegen die sich die Demo offiziell richtet, wird es kein bisschen jucken. Die aktuelle Politik hat ihre Agenda: die deutsche Landwirtschaft im internationalen Wettkampf gut aufzustellen und da geht kein Weg an größeren, kosteneffizienteren Betrieben vorbei. Aktuell hat Deutschland in der Landwirtschaft noch einen technischen Vorsprung, der schmilzt aber zusammen, sobald die Besitzverhältnisse und damit die Managements allesamt international aufgestellt sind. Wer etwas anderes behauptet, verschließt sich der Realität oder beugt die Wahrheit und wer sich von der Politik etwas anderes erhofft, fleht Windmühlen an.
Die großen Player auf dem Lebensmittelmarkt reiben sich dagegen sogar die Hände: der Bioboom, zu dem auch die Demos und die dadurch geschaffenen Narrative immer wieder beitragen, führt dazu, dass die bäuerliche Landwirtschaft aus dem Markt gedrängt wird. Bio ist inzwischen schon lange keine reine Überzeugungstat mehr, sondern unterliegt den gleichen Mechanismen, die auch schon die konventionelle Landwirtschaft in die Ecke getrieben haben: Preisvergleich im Regal, also Preiskampf zwischen den Anbietern, gedrückte Preise bei den Erzeugern und die Gewinner sind diejenigen, die möglichst viel möglichst günstig produzieren können. Die finanzstarken Großbetriebe, die Bio als Wachstumsmarkt für sich entdeckt haben. Aktuell profitieren vom Bioboom weniger die traditionellen Betriebe als viel mehr diejenigen, die, mit großen Lieferverträgen ausgestattet, neu umstellen.
Verhärtete Fronten
Die Bauern sind nicht unschuldig; im Gegenteil. Allein der Titel ihrer Gegendemonstration „Wir machen euch satt!“ zeugt von einem verschrobenen Blick auf die Welt und den Dialog. Es klang für mich von Anfang an nach der altbackenen „Solange du deine Füße unter meinem Tisch hast“-Argumentation einer konservativen Subkultur und ich habe noch wenig gefunden, was mir diesen Eindruck hätte entkräften können.
Die Bauern sind leidenschaftliche „Bauern“ im Schachspiel der Macht. Sie lassen sich einspannen und demonstrieren teilweise gegen ihre eigenen Interessen, habe ich den Eindruck. Oder ist das mein verschrobener Blick auf das, was man auf einer Demo macht? Geht man hin, brüll rum und geht davon aus, dass die Beobachter schon wissen, dass man zwar für fairere Bedingungen auf dem Markt ist, aber nicht pauschal gegen jede Einschränkung?
„I have a dream!“
Eigentlich, und das ist mein wirklicher Punkt: wollen alle dasselbe. Leben und leben lassen. Demonstrant*innen, ob jetzt auf landwirtschaftlicher Seite oder der „Gegenseite“. Das ist auch ein kleiner Keimling, von dem ich erfahren habe. Nachdem die Initiative „Land schafft Verbindung“, die ja die großen Treckerdemos im ganzen Land zu verantwortete, lange Zeit geplant hatte, auf der „Wir haben es satt!“-Demo zu sprechen, haben sie es abgesagt. Dann haben sie es doch wieder in Planung genommen und jetzt wartet am Freitag eine große Chance für alle. Zufällig ist der vorgesehene Redner ein alter Freund von mir; Tilo von Donner, den ich aus meiner Kieler Zeit kenne und bei dem ich sogar schon auf dem Hof ausgeholfen habe. Das Problem ist bisher, dass keiner wirklich mit der Gegenseite sprechen möchte, weil die Thematik so komplex ist. Lieber zieht man sich in sein Demolager zurück und schiebt den schwarzen Peter weit von sich. Tilo hat aber den Mut, am Samstag die Hand auszustrecken und auf der „Wir haben es satt!“-Demo zu sprechen. Drei Minuten Redezeit bekommt er. Ich bin nicht unbedingt der größte Freund von „Land schafft Verbindung“ und habe mich in der Vergangenheit auch schon gegen die Demos ausgesprochen (weil mir auch da zu viele Punkte in einen Topf geworfen wurden). Dass jetzt beide Seiten einem so offenen und einladenden Menschen wie Tilo die Möglichkeit geben Brücken zu schlagen, stimmt mich hoffnungsvoll.
Das Größte für mich wäre, wenn mich der kommende Samstag Lügen strafen würde. Wenn die Demonstrant*innen in Berlin den Bauern aus der Holsteinischen Schweiz zu Wort kommen lassen, ihm zuhören und seine Gedanken mitnehmen. Sie Teil ihres Bildes von der Landwirtschaft werden lassen. Die Lösung liegt nämlich auf der Straße, glaube ich. Oder auf dem Acker, wenn man will. Macht man die Anderen für seine Probleme verantwortlich, können einem auch nur die Anderen helfen. Das gilt für beide Seiten der Diskussion und die Politik wird sich dahingehend nicht ernsthaft bewegen, genauso wenig, wie dass sich die großen Player aus dem Markt zurückziehen werden. Bio oder konventionell. Kommen Landwirtschaft und Konsument*innen aber an einem Tisch zusammen und arbeiten an Lösungen, kann sich etwas bewegen. Dann gibt es keine „anderen“. Dann kann es Lösungen geben, die beiden Seiten helfen. Ohneeinander geht es nicht. Nicht bei dieser Diskussion; da wäre ich auch wieder mit im Boot.












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Ich habe also meine Probleme mit dem Begriff. Meine Landwirtschaft ist die der Bilderbücher. Ich sehe meine Tiere auf grünen Flächen und bin überzeugt davon, dass das der richtige Weg ist. Trotzdem tue ich mich schwer damit, Kollegen pauschal abzuurteilen und zu verunglimpfen. Ich bin nämlich überzeugt davon, dass wenige Dinge wirklich aus bösem Willen oder böser Absicht geschehen.
Davon trennen muss man aber meiner Meinung nach (und da dürfen Menschen gerne anderer Meinung sein), wenn die Möglichkeit (auf eine makabere Art „Freiheit“) besteht, Tiere beispielsweise außer der Reihe zu schlachten und selbst zu verwerten. Ich stamme von einem kleinen Betrieb und auch bei uns gab und gibt es immer wieder Kälber, die nach einer Krankheit nicht wieder richtig kräftig wurden und auf die Beine kamen. Weder etwas für die Zucht, noch für den Viehhändler. Auf unserem Betrieb, wo es zwar Routinen gibt, die jahrein, jahraus die selben sind, aber keine fixen Handlungsvorschriften und Abnahmeverträge mit Daten, Magerfleischanteilen und Abzügen bei nicht-einhalten von Terminen, gibt es die Möglichkeit, Tiere für den Eigenverbrauch großzuziehen. Auf meinem Lehrbetrieb habe ich ein Ferkel geschlachtet, das quickfidel war, seine Hinterbeine aber nicht richtig nutzen konnte. Wir haben es nicht sofort getötet, weil es keinen Grund gab. Es war fit. An irgendeinem Punkt war es dann aber doch so groß, dass es vom Tierschutz-Standpunkt her grenzwertig wurde und wir haben es gegessen. Als vor ein paar Monaten auf dem Betrieb auf dem ich arbeite, einer unserer Junghähne der für die Legehennen-Herde vorgesehen war so klein blieb, dass er untergegangen wäre, ging er in die Röhre. All dies waren Entscheidungen, die für die Tiere den Tod bedeutet haben weil sie nicht ins Raster gepasst haben. Das ist aber für mich noch auf der Seite der Linie auf der „meine“ Landwirtschaft stattfindet, weil die Tiere dadurch nicht Abfall waren, sondern verwertet wurden. Ich kann verstehen, wenn auch das befremdlich klingt. In dem Text geht es aber nicht um die Frage, ob Tiere für unsere Ernährung (warum möchte man Genuss schreiben, wenn Fleisch in den seltensten Fällen wirklich ein Genussmittel ist?) sterben, sondern um meine Definition von Massentierhaltung.


Nun zu den Tieren: die Milch welcher Tiere möchte man zu sich nehmen? Wie sollen sie gehalten werden, wie gefüttert? Da kommen jetzt erstmals die Biosiegel ins Spiel. Für mich zumindest. Das andauernde Tief des Milchpreises der letzten Jahre hat viele Landwirte dazu gebracht, eines der letzten Tabus einzureißen. Viele haben aufgehört ihre Tiere auf die Weide zu lassen. Wirtschaftlich macht es durchaus Sinn, weil die Energiedichte des Grases auf der Weide lange nicht so hoch ist wie die von Silage und Kraftfutter im Stall. Weidegang ist also ein Luxus den Landwirten ihren Tieren gönnen wenn sie es sich leisten können. Lange selbstverständlich, inzwischen aber tragischerweise ein Qualitätskriterium, das auf Milchpackungen hervorgehoben wird. „Weidemilch“ bedeutet, dass die Tiere an mindestens 120 Tagen im Jahr mindestens sechs Stunden auf die Weide kommen. Die Zeit ist realistisch für einen „Tag auf der Weide“. Viel mehr als sieben Stunden ist nicht möglich, wenn die Tiere nach dem morgendlichen Melken raus kommen und vor dem abendlichen Melken wieder rein. Nachts geht natürlich mehr und das ist vor allem in heißen Sommern die beste Alternative. Woran ich mich persönlich stoße, sind die 120 Tage Weidegang. Das sind vier Monate, also – wenn täglich – von Anfang Mai bis Ende August. Unsere Kühe zuhause sind normalerweise von Mitte April bis Ende Oktober, oft auch bis Ende November draußen. In extrem trockenen Sommern wie dieses Jahr, mit einer zweiwöchigen Pause Ende Juni, weil einfach nichts mehr gewachsen ist und wir sogar unser noch im Wachstum befindliches Getreide als Grünfutter füttern mussten.
Ein weiterer Punkt, der für viele Menschen ein wichtiger ist, ist die Trennung von Mutter und Kalb. Das ist etwas, wo kein Siegel Abhilfe schafft. „Muttergebundene Kälberaufzucht“, wie die Alternative zur Trennung genannt wird, ist die Initiative einzelner Bauern und das ist meiner Meinung nach auch ein wirklich guter Ansatz. Weg von der Siegelgläubigkeit und hin zu einem eigenen Beschäftigen mit den Lebensmitteln. Die Kälber werden standartmäßig von den Müttern weggenommen, ob jetzt sofort, nach ein paar Stunden, einem oder mehreren Tagen macht vom Trennungsschmerz her keinen großen Unterschied. Das ist meine Erfahrung, und ich habe schon viele Kälber von ihren Müttern getrennt.. Wie sehr gelitten wird, ist von Tier zu Tier unterschiedlich, manche leiden laut, manche wenn dann still. Tendenziell ist es für die Kälber einfacher, wenn sie in den ersten Tagen getrennt werden, weil sie in der Natur in der Phase auch noch nicht mit der Mutter laufen würden, für die Mütter ist es tendenziell immer sehr viel schlimmer. Für das Immunsystem, die Gesundheit der Kälber ist jeder Tag bei der Mutter förderlich. Auch entwickeln sie sich sehr viel besser als wenn sie mit dem Eimer großgezogen werden. Ein Unterschied wie Tag und Nacht. Auf Milchaustauscher, wie er bei der konventionellen Kälberfütterung mittlerweile Standart ist, gehe ich jetzt nicht ein, es geht hier ja um Milch für Menschen. Wer muttergebundene Kälberaufzucht unterstützen möchte, kann sich auf der Website von 
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