Welche Hühnerliteratur brauch‘ ich?
Ich bin ein großer Fan von Hühnerbüchern. Über die Jahre habe ich Dutzende angesammelt. Was ich aber mit der Zeit festgestellt habe war, dass der Informationszuwachs immer geringer wurde.
Was also tun?
Anfangs freut man sich mit jedem neuen Buch über die neuen Blickwinkel auf die immer selben Themen und Lösungen und vor allem über die neuen tollen Hühnerfotos. Ist man aber wirklich auf der Suche nach besseren Informationen, wird die Luft oft schnell dünn. Ich habe es schmerzhaft gemerkt, als ich nach handfesten Informationen über die Hühnerzucht gesucht habe. Nicht die klassische Zucht auf Ausstellungsmerkmale, sondern Zucht auf Leistungsmerkmale: anscheinend kein Thema für die Hobbyhalter, wenn man sich die Inhalte populärer Hühnerbücher anschaut.
Als gelernter Landwirt sind Leistungsmerkmale kein Hexenwerk. Es gibt Zahlen und Statistiken, Wahrscheinlichkeiten, nach denen jene Eigenschaft vom Vater und jene eher von der Mutter vererbt wird. Wie man dies ausgleicht und jenes verstärken kann: Nichts davon lässt sich allerdings in der verfügbaren Hühnerliteratur finden. Dabei hatte ich sogar meinen Bruder mehrfach in geschlossene Teile der Kieler Unibib gejagt.
Zwei bis drei Hühnerbücher zu besitzen ist sinnvoll, denke ich. Dann reicht es aber auch, weil wirklich nicht mehr viel neues kommt. Die Bücher sind nicht teuer, das Geld an irgendeinem Punkt aber rausgeschmissen. Langer Rede kurzer Sinn, hier meine Favoriten.
Der Schönling: Ester Verhoef, Aad Rijs – Hühner Enzyklopädie
Mein erstes eigenes Hühnerbuch, das ich mir 2001 gekauft habe. Damals habe ich es verschlungen und mich vor allem auch über die wirklich tollen Fotos gefreut. Insbesondere die Rassenauswahl der Holländer hat sich bei mir ziemlich eingebrannt: einige deutsche Rassen habe ich erst viel später kennengelernt, viele holländische oder belgische Rassen die bei uns überhaupt keine Rolle spielen, habe ich dagegen im Kopf. Dasselbe mit Rassen wie Redcaps, Schwedische Blumenhühner, Ayam Cemani oder meine heißgeliebten Silverudds Blå, die ich erst viel später entdeckt habe weil sie in dem Buch von vor 20 Jahren keine Rolle gespielt haben. Es ist ein netter Rundumschlag, wenn man sich wirklich ausführlich zu Hühnern belesen möchte, kommt manchmal aber auch nicht wirklich auf den Punkt.
Das echte Standardwerk: Armin Six – Hühnerzucht heute
Das letzte klassische Hühnerbuch, das ich gekauft habe und wahrscheinlich auch das Beste. Es hatte die große Aufgabe einen wirklichen Mehrwert zu bieten und konnte ihn für mich nicht erfüllen (ich war auf der Suche nach den oben beschriebenen Leistungsmerkmalen). Im Gegensatz zu fast allen Hühner-Ratgebern hat es aber tatsächlich einen ziemlich versierten fachlichen Teil, leider – für mich zumindest – allerdings am Ende auf die Optik der Hühner hinauslaufend. Allerdings – und das rechne ich ihm hoch an – von den einfachsten Grundlagen bis zu echten Nüsschen. Es gibt verschiedene Schwerpunkte, wenn man sich intensiver mit Hühnern beschäftigen möchte und für viele Hühnernerds ist die Vererbung von optischen Merkmalen etwas Wichtiges. Wirklich handfestes zu Leistungsmerkmalen, also wie Hühner über die Zeit finanziell immer besser für sich selbst sorgen können, gibt es aber nicht. Ist man auf der Suche nach einem wirklich, wirklich guten Rundumschlag in Sachen Hühner und allen nötigen Informationen, ist man mit diesem Buch gut bedient. In der heutigen Zeit des Internets ist man meist nur einen Suchbegriff von schnellen Informationen entfernt und ich finde, dass dieses Buch eine gute Grundlage ist, um in der Not den richtigen Suchbegriff formulieren zu können.
Handfestes zum Planen: Detlef W. Fölsch – Artgemässe Hühnerhaltung
Ein Buch, mit dem ich lange nichts anfangen konnte, war „Artgemässe Hühnerhaltung“. Es ist mehr Tiefgang als Optik. Teilweise schlecht schwarz-weiß-kopierte Abbildungen und Fotos aus dem vorigen Jahrtausend machen nicht viel Spaß, viele Berichte über praxiserprobte Hühnerhaltungen vor dem allgemeinen Mobilstallwahn machen aber Lust auf ein eigenes System das den Gegebenheiten vor Ort entspricht. Es ist ein echter Quell, wenn man wirklich nach Inspiration zu funktionierenden Systemen sucht und nach einiger Zeit im Internet keine Lust mehr hat von YouTubern auf den Arm genommen zu werden die ihre neuen Ideen als der Weisheit letzten Schluss präsentieren. Weniger etwas zum im-Sessel-sitzen und schmökern, als mehr etwas für den Punkt, wenn man an einer konkreten Planung einer eigenen Hühnerhaltung sitzt.
Der Ort um verloren zu gehen: https://www.backyardchickens.com/
So sehr „Artgemäße Hühnerhaltung” für zielorientiertes Arbeiten geeignet ist, so sehr kann man bei Backyardchickens.com Dinge finden, von denen man nicht wusste, dass man sie gesucht hat. Oder man lässt sich einfach mal von den 2.500 eingestellten Beispielen für Hühnerställe inspirieren, oder wie man einen Trittklappen-Futterautomaten baut. Es gibt alles. Fast 1.3 Millionen Artikel bzw. Forenthreads. Irgendwelche weitere Fragen?
Der neu-Klassiker: Happy Huhn
Wie sehr die Welt den Kanal von Robert Höök gebraucht hat, merkt man an seinem Erfolg: trotz Missachtung ungefähr jeder kolportierten YouTube-Regel von schnellen Schnitten und anpeitschendem Gelaber hat er sich eine riesige Fangemeinde aufgebaut. 422.000 Abonnenten auf YouTube mit Nutztier-Content sind der Wahnsinn. Roberts Rolle in der Geschichte ist genial: er tritt als informierter Laie auf, nicht von oben als Fachmann. Er besucht Züchterinnen und Züchter besonderer Rassen, die er portraitiert. Mir persönlich fehlt ab und zu die Tiefe und einige zielführende Fragen in den Interviews, das ist aber mein persönliches Problem Bei mir bleiben nach fast 20 Jahren Rechercheerfahrung über Hühner meist nur sehr spezifische Fragen offen, wenn ich mich dahinter klemme. Das wäre aber nicht annähernd so populär wie Roberts Format und der Erfolg gibt ihm Recht. Dass er jetzt Hühnerbücher veröffentlicht und damit den Markt nicht notwendigerweise bereichert, verzeihe ich ihm: mit seinen Videos hat er sich jede Allüre verdient.
Auf den Punkt im Hühnerstall: Basiswissen MTool https://www.mud-tierschutz.de/beratungsinitiativen/etablierung-eines-managementtools-bei-legehennen/
Zurück zu den unromantischen Inhalten. Das Managementtool für Legehennen versuche ich schon länger unters Volk zu bringen. Wem gerade nicht danach ist sich ein bisschen über Hühner zu belesen und nebenbei zu träumen sondern nach knackigen und professionell aufbereiteten Informationen, sollte sich die MTool-Veröffentlichungen vom MuD anschauen. Die Handbücher kann man sich kostenlos zuschicken lassen, sie kommen laminiert und sind somit auch im Stall einzusetzen und danach abwischbar. Es sind nicht unbedingt die Informationen die man sich als Hühnerhalter anschauen möchte, weil eben nicht primär Wert auf tolle Fotos gelegt wird, ich bin aber überzeugt davon, dass alle verantwortungsbewussten Hühnerhalter*innen diese Veröffentlichungen zuhause haben sollten. Bei aller Kritik an der intensiven Hühnerhaltung: nichts ist komplexer als tausende von Tiere gesund und in Leistung zu halten. Wenn man also etwas über gutes Gesundheitsmanagement bei Hühnern lernen möchte, sollte man zu den Profis schauen. Alles andere ist im Vergleich dazu Kinderkram.
Meine Bibel: Chicken Manual
Manchmal braucht es nicht viel. Das „Chicken Manual“ („Hühner-Handbuch“) von der amerikanischen Livestock Association ist das, wonach ich auf der Suche war, als mir meine Frustration mit den üblichen Hühnerbüchern klar geworden ist. Es geht auf viele Grundlagen nicht ein, weil es voraussetzt, dass man sich auch bereits mit den weniger spritzigen Aspekten der Hühnerhaltung auseinandergesetzt hat, sondern konzentriert sich in drei, jeweils drei- bis vierseitigen Texten, auf die Selektion für Legeleistung, Selektion für Mastleistung und darauf, wie man eine Hühnerherde über die Jahre aufbaut, entwickelt und organisiert. Hat einem Robert Höök auf Youtube die richtige Rasse vorgeführt, hat man sich bei Backyardchickens.com (oder Artgemäße Hühnerhaltung) den Stall seiner Träume ausgesucht und von Armin Six in alle Aspekte der Hühnerhaltung einführen lassen, kann man das Chicken Manual zur Hand nehmen und lesen, wie man Hühner nicht nur hält und sich an ihnen erfreut, sondern mit ihnen arbeitet, so dass sie in ein paar Jahren nicht mehr nur schöne Accessoires sind, sondern auch für das geschätzt werden was sie können.