Verzicht: Der beste Weg zu mehr Tierwohl
Kaum ein Wort sorgt in unserer Überflussgesellschaft für mehr Zahnschmerzen als „Verzicht“. Insbesondere, wenn es um persönlichen Verzicht von Dingen geht, die man als selbstverständlich ansieht. Medien machen sich das gerne zunutze und heizen die Diskussionen durch regelmäßige Beiträge zum Sinn von Fleischverzicht, Verzicht auf „freie Tempowahl“ auf der Autobahn, Flugreisen und vieles weitere an.
Die Reaktionen sind zutiefst menschlich und auch nachvollziehbar: wir sind alles erwachsene Menschen und haben während des Aufwachsens und im Job schon mehr als genug Menschen gehabt, die uns zu sagen meinten, was wir zu tun haben. Wahrscheinlich auch oft genug in der Familie: Da will man uns noch das bisschen Freiheit wegnehmen das geblieben ist?
Dinge „erwachsen sehen“
Ich sehe das ein bisschen differenzierter: unsere Freiheit ist viel zu groß, auch wenn es sich wahrscheinlich für jeden eher nach „gerade groß genug“ anfühlt. Konservative Meinungsmacher nennen die Grünen „die Verbotspartei“ und wahrscheinlich bin ich gehirngewaschen, aber ich bin auch der Meinung, dass wir unsere Gewohnheiten ändern müssen. Nicht durch Verbote, sondern durch simple Menschenbildung. Wenn wir als Gesellschaft in die Lage kommen „gefällt mir nicht“ und „das ist falsch“ auseinanderzuhalten, könnten wir uns sehr viel besser weiterentwickeln. Mir gefällt ein Tempolimit nicht: trotzdem wäre es der richtige Weg, Schadstoffausstöße zu reduzieren und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Mir gefällt nicht, seltener und mehr Geld für meine Kleidung und Technik auszugeben, trotzdem wäre es der einzige Weg, von der fortdauernden Ausnutzung des Restes der Welt für unseren Lebensstandard wegzukommen. Und um von Arschbacken auf Kuchenbacken zu kommen: mir gefällt nicht, immer überall auf die Zutatenliste zu schauen, selbst zu backen/kochen/fertigen und zu allem Überfluss auch noch Rezepte abzuwandeln, aber das ist der einzige Weg, zu einer respektvollen Hühnerhaltung zu kommen.
Warum?
Wir verzehren zu viele Eier. Darum. 235 Stück pro Jahr. Diese unglaublich vielen Eier können nur produziert werden, indem man das letzte aus den Hühnern herausquetscht die sie legen. Im konventionellen Bereich genau wie im Ökobereich, wobei ich da einmal die Ökolandwirtschaft auf ein Podest stellen kann: auch Eier die in Bioprodukten verarbeitet wurden erfüllen die Standards, die die Eier im Supermarkt erfüllen, während in konventionellen Verarbeitungsprodukten im Regelfall Eier aus Kleingruppen- und Bodenhaltung eingesetzt werden, von denen vor allem die Kleingruppenhaltung im Verkauf an Endverbraucher keine wirkliche Rolle mehr spielt.
So wie die konventionelle Landwirtschaft, durch den gesellschaftlichen und politischen Druck, Techniken aus der ökologischen Landwirtschaft übernimmt und von der jahrzehntelangen Pionierarbeit profitiert, können wir als Flexitarier von der Pionierarbeit einer Ernährungsphilosophie profitieren, die schon seit Jahrzehnten den Verzicht auf tierische Produkte umsetzt: vegan lebende Menschen. Ich bin Landwirt und lebe davon, tierische Produkte zu verkaufen. Damit bin ich unter den Hardcore-Veganern sicherlich irgendwo in einer Kategorie mit Andreas Breivik und Dschingis Khan, trotzdem wäre es dumm und kleingeistig von mir, aus diesem Grund den Veganismus abzulehnen. Sicher: eine rein vegane Diät verlangt ein großes Wissen über Ernährung um wirklich vollwertig und gesund zu sein. Wenn man sich aber anschaut, wie sich der durchschnittliche „Fleischesser“ ernährt, der sich über vegane Kitas echauffiert, ist das ein Paradestück fehlender Selbsterkenntnis. Im Gegensatz zu einem vegan lebenden Menschen kann man als Flexitarier ein gut umzusetzendes Maß an Verzicht wählen. Man hat die Wahl und die Freiheit und kein Risiko zu versagen, wenn man mal einfach doch Spätzle oder Maultaschen mit Eiern in „fertig“ kauft weil man es möchte.
Verzicht auf Verzicht?
Ich persönlich finde es nicht verwerflich den einfachen Weg zu gehen und zu kaufen was es gibt, was günstig ist und was man gewohnt ist. Trotzdem weiß ich, dass ein gemäßigter Verzicht der einzige Weg zu dem Ziel ist, das ich als Mensch und Landwirt habe: respektvollen Umgang mit Natur und Ressourcen. Dass es mir nicht gefällt, leicht fällt und erstmal eine gewisse Einschränkung bedeutet, macht es definitiv schwieriger: Deswegen aber nicht falsch. Da ich den Gedanken bereits seit ein paar Jahren im Hinterkopf trage und auf meine gemäßigte Weise verzichte kann ich sagen, dass es immer leichter fällt. Je mehr man merkt, dass sich das Abgestoßen-sein von Teilen der landwirtschaftlichen Realität gut in Verzicht auf die Produkte aus dieser umsetzen lässt und auch gut anfühlt, desto leichter fällt der nächste Schritt. In dem eben verlinkten Text habe ich geschrieben, dass das Schwerste daran die Überwindung ist. Jedes Mal aufs neue. Genau so ist es aber auch jedes Mal aufs neue ein wirklich gutes Gefühl zu merken, dass Fleisch oder Eier in vielen Gerichten einfach eine „soda-Zutat“ sind, die ein „Umami“ erleichtern.