Antwort auf Thomas D.s Kommentar zur Schweine-Doku

Juhuu, ein erster Kommentar!

Wenn man sich das Facebook-Profil anschaut, dann ist es für die Person ein wichtiges Thema die Landwirtschaft auf dem Status quo zu halten. Wer das Spiel von Fakten versus Ideologie spielt, sollte keine einseitigen Sekundärquellen verlinken, sondern selbst argumentieren. Jedoch stinken tun immer die anderen.

Der Kommentar berührt nichtsdestotrotz ein wichtiges Thema. Nämlich, dass die ökologische Landwirtschaft in vielen objektiven Bereichen der konventionellen keinen Deut voraus ist. Unabhängig davon, dass der Kommentar ein klarer Trollkommentar ist, der Arbeit machen soll, habe ich meine Antwort etwas ausführlicher gestaltet und bin auf die Punkte eingegangen, denn „Fakten versus Ideologie“ wird immer wieder kommen. Also:

Ich würde sagen „Fakten und Idealismus“ statt stumpfes Verlinken von Sekundärliteratur und „glaube keiner Studie, die Du nicht.. blabla…“
Ich bin nicht paranoid, aber auch nicht naiv. Es ist bisschen billig aber OK, dass Artikel mit einer klar erkennbaren Intension beim Schreiben verlinkt wurden. Das ist auch eine Ideologie. Frei davon ist niemand. Vor allem nicht Trolle.
Die Zahlen lügen nicht. In der Freilandhaltung ist die Ansteckungsgefahr höher, weil auch ein doppelter Zaun Infektionsrisiken nicht annähernd so effektiv niedrig hält wie eine verschlossene Tür. Wenn man sich die Originalstudie anschaut und aus der Praxis kommt, machen die Zahlen auch schlicht und ergreifend Sinn. Die beschriebenen „Freilandschweine“ haben die ersten fünf Wochen ihres Lebens draußen verbracht, in einer Umgebung, die Ansteckungsgefahr mit sich bringt. Sie werden aus dem Programm geworfen, wenn sie mehr als ein Mal mit einem Antibiotikum behandelt werden. Also werden eher kranke Schweine ökologisch abgeliefert, als dass sie konventionell verkauft werden. Das ist faktisch und monetär nachvollziehbar, hat aber nichts mit Ideologie oder Idealismus zu tun.

Ab der 6. Lebenswoche werden die untersuchten „Freilandschweine“ in Ställen mit Außenklimabereich gemästet (Quelle nach wie vor die Studie). Ohne adäquate Beschäftigung (doppelt ärgerlich wenn sie das Wühlen gelernt haben und entsprechend aktiv sind) und mit ganzen Schwänzen. Das ist ein unrundes Konzept und zu Recht kritikwürdig. In der intensiven Haltung macht das Kupieren der Schwänze Sinn. Da gehe ich mit der Lehrmeinung. In Lehre und Studium habe ich zu dem Thema gelernt, dass Schwänzebeißen oft ein Langeweilephänomen ist. Wer schon mal mit Schweinen in Freiland gearbeitet hat und deren Aktivitätsniveau kennt, kann einschätzen, dass die Spielzeuge in konventionellen Ställen ähnlich naiv-niedlich und als Tropfen auf heiße Steine zu sehen sind, wie konventionelle Bauern auf die Bemühungen vieler Öko-Landwirte blicken, ihren Schweinen vor dem Tod noch ein ach-so-schönes Leben zu bescheren. Long Story short: wer nicht möchte, dass die Schwänze gekürzt werden, sollte die Tiere ins Freiland lassen, denn da haben sie genug zu tun um sich nicht gegenseitig anzuknabbern. Stationäre, jahrelang genutzte Matsch-Ausläufe mit Suhlen – wie bei „Frilandsgrisen“ vorgeschrieben – sind wunderbare Vermehrungsmöglichkeiten für jede Art von Ekelzeugs, also ein Risiko wenn die Tiere nicht behandelt werden dürfen.
Die Liste der Krankheiten die untersucht wurden ist eine Liste von Krankheiten, die behandelt werden müssen, aber aufgrund der seltsamen Vorgaben nicht behandelt werden dürfen. Ganz abgesehen davon, dass sie sich – abgesehen von der Rippenfellentzündung (beide Male überraschend hoch) – in beiden Probenpools nur zu verschwindend geringen Anteilen der Proben finden und sich im Bereich von unter 2% bewegen.
Ganz anders als die krassen Ferkelverluste in Schweden. Auch da ist der Artikel aber sicherlich nicht neutral geschrieben, wenn es heißt „Erschwerend kommt hinzu, dass antibiotische Leistungsförderer bereits seit 1986 komplett verboten sind.“, dann ist das auch nicht mehr die aktuelle Linie der Bauernverbände, weil wir sind hier in Deutschland die Besten was Tierwohl angeht. Der Text ist die Wiedergabe einer Erzählung persönlicher Eindrücke (suuuubjektiv…) und kein Fachartikel mit Quellen.
Wer mit Schweinen arbeitet weiß, dass sie eher R-Strategen sind, die im Grunde „Reserveferkel“ mitwerfen, die für den Fall da sind, dass eines der starken Ferkel stirbt und ansonsten „zum sterben geboren sind“. Die Ferkelerzeugung im großen Stil spekuliert darauf, dass sie sich die Ferkel aus dem Wurf aussuchen kann die es schaffen werden. Der Rest ist tot geboren oder zumindest „tot geboren“. (O-Ton eines Lehrlings im Schweinekurs in der Ausbildung). In der Gruppenhaltung sind, was Ferkel umsetzen angeht (große Würfe an Sauen mit weniger Ferkeln zu verteilen), den Bauern die Hände gebunden, was sich mit Sicherheit nicht positiv auf die Ferkelverluste auswirkt.
All das ist keine Rechtfertigung dafür, dass fast 50% mehr Ferkel im schwedischen KRAV-Programm sterben als in konventioneller Haltung, aber tiergerechte Haltungsformen stehen auch heute noch erst am Anfang ihrer Entwicklung und diese wird von idealistischen Praktikern vorangetrieben und keinen Firmen, die beliebig skalierbare Lösungen verkaufen wollen und entsprechend in Forschung investieren können. Ins Blaue hinein spekuliert könnte man auch die Frage stellen, mit was für Linien die Ferkelerzeuger mit fast 20% Verlusten arbeiten. Alte Landrassen haben Würfe von etwa 8 Ferkeln, die sie auch größtenteils groß bekommen. Moderne Sauen die im ökologischen System laufen, bauen ein Nest für eben diese 8 Ferkel, bekommen dann aber 14 oder 16, von denen sie viel zu viele tot drücken. Das ist nicht die Schuld der konventionellen Züchtung die irgendwelche Turbotiere produziert, sondern der ökologischen Züchtung, die sich zu lange mit Tränchen und Zetern beschäftigt hat, statt ins Agieren zu kommen.

Da Du aber garnicht auf das Video eingegangen bist, nehme ich mir die Freiheit nochmal zu verdeutlichen was ich meine: schaut euch alle die Dokumentation zu den Tieren an und entscheidet was euch besser gefällt.