Die Menschen, die sich am wenigsten für meine Ideen zur Hühnerhaltung interessieren, sind professionelle Hühnerhalter. In dem Moment, in dem ich klar sage, dass eine in meinen Augen ethisch bessere Hühnerhaltung zwingend mit weniger Eiern pro Henne einhergeht, schwindet das Interesse. Die einzige Rasse, bei der ich geschafft habe, dass ein Legehennen-Veteran tatsächliches Interesse gezeigt hat, war bei Silverudds Blauen, unkorrekter Weise oft Schwedische Isbar, oder im Schwedischen „Isbar Blå“ genannt.
Komplizierte Schweden
Ich selbst habe Silverudds Blaue lange ignoriert. In meiner Zeit in Schweden habe ich mich zwar sehr für schwedische Hühnerrassen interessiert und mich auch weit ins Thema hineingearbeitet, habe damals aber nicht gemerkt, dass es in Schweden zwei Lager von Erhaltungszüchtern gibt. Zum einen gibt es „Svenska Lanthönsklubben“ (dessen Internetseite mich seit bestimmt sieben Jahren schon amüsiert: „Kackel.se„), den schwedischen Landhühnerclub, in dem sich um die traditionellen schwedischen Rassen gekümmert wird. Ein Beispiel aus den Reihen der Landhühner, das aktuell in Deutschland viele Freunde gewinnt, sind die Schwedischen Blumenhühner. Eine traditionelle Rasse aus Südschweden mit besonders hübschem, buntem Federkleid. Die zweite Gang der schwedischen Erhaltungszüchter ist „Svenska Kulturhönsföreningen“, die schwedische Kulturhühnervereinigung. Ich habe sie damals nicht gefunden, weil ich sie nicht gesucht habe. Ich wusste nicht, dass es die zwei Lager gibt. Der „Lanthönsklubben“ betreut die alten schwedischen Hühnerrassen, Zusammenfassungen von Landschlägen, wie es sie in Deutschland eigentlich gar nicht mehr so richtig gibt. Die planmäßige Zucht nach Leistungs-, Farb- und Formmerkmalen in Vereinen hat echte Landrassen bei uns verschwinden lassen. Die „Kulturhönsföreningen“ betreut in Schweden die Rassen, die nicht traditionell-schwedisch sind. Zum einen sind das Spielarten amerikanischer Rassen, wie das „Altschwedische Leghorn“, oder „Rhode Island Red“, zum anderen sind es sieben Rassen aus ganz besonderer Quelle: Rassen, die der Pastor Martin Silverudd geschaffen hat.
Seit den Fünfzigern und bis zu seinem plötzlichen Tod in den Achzigern erzüchtete Silverudd eine ganze Reihe von Rassen. Es sind sehr leistungsfähige Rassen, die alle ein kleines Extra mit sich bringen. Oft ist es eine besondere Federzeichnung, wie bei „Queen Silvia“, eine Rasse, die sich noch im Wiederaufbau befindet, gleichzeitig aber schon jetzt die wahrscheinlich wunderschönsten Kükenfärbungen zeigt, die ich je gesehen habe. Oder „Fiftyfive Flowery“ in gold und silber. Eine kennfarbige Legerasse, deren Form der Kennfarbigkeit ganz anders daher kommt als die „gesperbert-rebhuhnfarbigen“ Tiere der Bielefelder, Cream Legbar oder anderer Rassen mit kennfarbigen Farbschlägen.
Die Rasse allerdings, die mich dazu verleitet hat mich erstmals wirklich mit Silverudds Rassen und damit den schwedischen „Kulturhühnern“ zu beschäftigen sind Silverudds Blaue, „Silverudds Blå“, wie sie in Schweden genannt werden. In Deutschland werden sie oft fälschlicherweise „Schwedische Isbar“ genannt. Die Namensverwirrung ist allerdings nicht nur in Deutschland ein Thema. Die Verwirrung mit den Namen fängt bereits in Schweden an. Es gibt nämlich auch unter den Kulturhuhnzüchtern verschiedene Gruppierungen. Es gibt die Liberalen und es gibt die Konservativen. Das führt zu einer gewissen Verwirrung im deutschen Internet. Dort ist von verschiedenen Linien die Rede. Leichteren und schwereren. Was der Schlag sei, der die Idee Silverudds verkörpert sei unklar, steht beispielsweise sinngemäß auf Wikipedia. Klingt kompliziert? Es ist noch komplizierter: Die Verwirrung schließt insgesamt zweieinhalb Rassen ein: zum einen gibt es die Rasse „
Isbar„. Die hat mit den „Schwedischen Isbar“, wie wir hier über sie schreiben, nichts weiter zu tun (ein Grund mehr, hier in Deutschland aufzuhören Silverudds Blaue „Schwedische Isbar“ oder, umgangssprachlich noch kürzer und schlimmer, einfach „Isbar“ zu nennen). Es ist eine grünlegende Zweinutzungsrasse aus den Sechzigern. Weiß oder gold gefärbt, mit einer gescheckten Columbiazeichnung, deren gezeichnete Teile kennfarbige Sperberung in sich trägt. Der Namensbestandteil „_bar“ kommt von „barred“, was die englische Bezeichnung der Sperberung ist, die die Isbar haben, Silverudds Blaue allerdings nicht.
Die Rasse von der ich die ganze Zeit schreiben möchte hieß bis vor zwei Jahren „Isbar Blå“, „blaue Isbar“ also. Sie ist eine reine Legerasse, die Silverudd unvollendet hinterließ, als er 1986 überraschend starb. Da es nicht nur in Schweden häufig zur Verwechslung zwischen Isbar und Isbar Blå kam (wer kann es irgendwem verdenken) hat sich die Kulturhönsföreningen dazu entschlossen, die Rasse umzubenennen. Und zwar von „blaue Isbar“ zu „
Silverudds Blaue“ Das schließt Verwechslungen zwischen zwei grün legenden, aber sonst als, Zweinutzungs- und Legerasse, doch sehr unterschiedlichen Rassen aus. Das Umbenennen hat allerdings nicht allen Mitgliedern des Gremiums gepasst. Genau so wenig wie der Beschluss, auch Tiere mit nicht 100% lückenlos dokumentierter Herkunft in die Erhaltungszucht einzubeziehen. Deswegen gibt es in Schweden Züchter, die weiter mit dem Namen
Isbar Blå arbeiten und die internationale Verwirrung um die Rasse damit eher noch befeuern. Zweieinhalb Rassen also: Isbar als grün legende Zweinutzungsrasse, Silverudds Blaue, die Tiere mit denen die Kulturhönsföreningen die Erhaltungszucht betreibt und „Blaue Isbar“, die von Züchtern bearbeitet wird, die den Ansatz der Kulturhönsföreningen zu liberal finden.
Klärungsbedarf
Eier auf dem Weg zu den Schweinen (die braunen sind keine Silverudds)
Die Aufklärung in dieser verworrenen Gemengelage hat mir Andreas verschafft, der für die Kulturhönsföreningen die Zucht der Silverudds Blå koordiniert. Er hat mir im September auch eine ganze Reihe von Bruteiern organisiert, die ich von meinem Schwedenurlaub mitgebracht und ausgebrütet habe. Aus den über hundert Bruteiern aus vier verschiedenen Linien sind 35 Küken geschlüpft. Immerhin aus jeder Linie welche. Im Zuge meines Treffens mit Andreas bin ich Mitglied der Kulturhönsföreningen geworden und eifriger Leser der vierteljährlichen Vereinszeitung. Die 35 Küken sind quickfidel und entwickeln sich super. Das tolle an der Rasse ist, dass sie mit bis zu 260 Eiern Legeleistung nicht nur unglaublich viele Eier, für Rassehühnerverhältnisse, legen, sondern auch sehr schnell wachsen. Eine wirklich dankbare Geschichte. Nach der dramatisch schlechten Befruchtung (49%) und der ähnlich miserablen Schlupfquote (52% der befruchteten Eier, 23% der eingelegten Eier) eine gewisse Wiedergutmachung. Das kommende erste Halbjahr werde ich damit zubringen, die Rasse zu vermehren.
Silverudds Blaue kommen in der namensgebenden blaugrauen Färbung daher. Typisch für den blauen Farbschlag ist bei Hühnern, dass er sich aufspaltet. Das Blaugrau ist instabil. Es ist eine Mischung aus schwarz und weiß und und will immer dahin zurück. Wenn man blaue Tiere miteinander verpaart, ist 50% des Nachwuchses ebenfalls blau, 25% fallen schmutzigweiß („splash“) und 25% der Tiere fallen schwarz. Da bei der Zucht der Blås weniger die Federfarbe als die Eifarbe, Ei-Größe und Legeleistung im Mittelpunkt stehen und entsprechend die besten Legehennen zur Zucht genutzt werden, bildet das genetisch dominante Schmutzigweiß oft den Großteil von Beständen. Was mich bei der Übergabe der Bruteier im September am meisten beeindruckt hat, war die Größe der Eier. Ein großes Problem, meine Hofhuhn-Eier im nächsten Jahr zu verkaufen ist, dass die modernen Legehybriden größere Eier legen als traditionelle Rassehühner. Das wird nicht einfach zu verkaufen. Die Silverudds allerdings legen Eier, die im M-L-Segment liegen. Ähnlich wie Marans zum Beispiel. Die Bruteier der Rheinländer und Cream Legbar, die ich bereits früher im Jahr ausgebrütet habe, waren eher im S-Segment, selten im kleinen M-Bereich angesiedelt. Grüne Eier in einer ordentlichen Größe, gleichzeitig von Hennen mit einer guten Legeleistung, sollten hoffentlich für etwas Aufmerksamkeit sorgen, von der die anderen Rassen dann auch profitieren können.
Alte Bekannte
Das Verrückte: ich hatte wahrscheinlich bereits Silverudds Blå. Vor sieben Jahren, als ich mich das erste Mal mit schwedischen Rassen beschäftigt habe. Ihr erinnert Euch: vom Anfang des Textes. Wir waren damals auf der Suche nach Hühnern. Ich habe keine gefunden und die Suche frustriert an meine damalige Freundin delegiert, die dann mit Hühnern einer Rasse ankam, die ich nicht zuordnen konnte. Sie waren nicht auf der Liste des Lanthönsklubben, weswegen ich mir nicht die Mühe machte sie mir zu merken. Echt: so frustriert war ich mit dem Thema. Vor kurzem, Jahre später bin ich über ein Foto aus der Zeit gestolpert. Die Tiere sehen genau so aus wie Silverudds Blå aussehen: Blau, splash und schwarz, mit aufgehellten Stellen an den Schmuckfedern der blauen und weißen Hähne. So schließen sich Kreise. Für die Zukunft kann ich mir gut vorstellen, mit anderen Züchter*innen eine „Arbeitsgemeinschaft Silverudds Blaue in Deutschland“ zu gründen. Die Rasse hat auf allen Ebenen tolle Eigenschaften was man so liest, gibt es hierzulande eine ganze Menge von Kreuzungstieren die als Silverudds Blaue angeboten werden. Dem ließe sich etwas mehr entgegensetzen, wenn sich die Züchter mit Tieren dokumentierter schwedischer Herkunft koordinieren würde.
Andreas, der Koordinator der SB in Schweden, sagte mir jedenfalls, dass es hierzulande bereits einige Züchter gäbe, deren Tiere aus Linien der schwedischen Erhaltungszucht stammen..
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Silverudds blaue - formerly known as Schwedische Isbar
Inhalt
Eine der Hühnerrassen, die sich in Deutschland aktuell großer Beliebtheit erfreut, sind "Silverudds Blaue", oder "Schwedische Isbar", wie sie fälschlicherweise oft genannt werden. Während es zu vielen Rassen viel im Internet zu lesen gibt, musste ich mich auf den Weg nach Schweden machen, um ein paar falsche Annahmen ausräumen zu können
Autor
Ingmar Jaschok
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