Warum „Bauer sucht Frau“ uns Bauern ganz recht geschieht
Ich habe mir heute beim Kampf mit der Gülle einen tollen Vergleich nach Art meines heiß geliebten Craig Ferguson ausgedacht (einfach mal zu Beginn die Glaubhaftigkeit des eigenen Standpunktes aushebeln – schreibt mir in den Kommentaren, wenn ihr wisst, was ich meine). „Bauer sucht Frau“ und Sexismus? Bei dem einen wird ein Teil der Gesellschaft diskriminiert, es soll sich aber keiner beschweren, weil es ja nicht so gemeint war und das andere ist.. Genau.
Ich hatte zwischendurch auf jeden Fall noch die eine oder andere elegantere Formulierung für dieses fast schon biblisch anmutende Gleichnis, aber mal der Reihe nach; wie komme ich überhaupt darauf, dass Landwirtschaft etwas mit Sexismus zu tun hat? Weil Landwirtschaft oft gelebter Sexismus ist. Vom allgegenwärtigen Herrenwitz, über die seltsame Vorstellung, eine „echte Männerarbeit“ zu leisten, bis zu den Kalendern mit knapp angezogenen Frauen in firmengerechten Kontexten, die von den Maschinen-, Werkzeug- und Geräteherstellern herausgegeben werden: ich erlebe Landwirtschaft als frauenfeindlich. Wenn ich es so sehen möchte. Wenn ich mich „mal nicht so hab“, ist es ein Traum: meine Kollegen sind ein Haufen Kerle die wissen wie man anpackt, abends gibt es ein Bier, per Whatsapp gibt es heiße Fotos, die die eine von Instagram wieder hochgeladen hat. Kolleginnen gibt es auch. Ein paar sind auch echt heiß, manche aber echt eher Typen. Die können aber alle mal nen Spruch ab. Stellen sich halt nicht so an wie die Mädchen aus der Stadt.
Kennt man, oder? Ich bin erst in den letzten Jahren mehr und mehr darauf gestoßen, für was für eine beschissenen Welt für Frauen, wir Männer mit unserer Gedankenlosigkeit verantwortlich sind. Die meisten Männer verstehen es aber nicht. Dass nicht immer alles Spaß ist, alles als so lustig verstanden wird wie es vielleicht gemeint war und auch nicht restlos okay, wenn man sich für eine beschissene Aktion entschuldigt. Um das zu verstehen ist Empathie nötig, Verständnis und vor allem der Wille zu Selbstkritik. Dafür wiederum ist innehalten nötig. Die Fähigkeit zuzuhören und zu verstehen, dass auch eine fundamentale Kritik nicht persönlich gemeint sein kann.
Wenn man sich als Mann mit der Diskriminierung von Frauen auseinandersetzt, bekommt man erstmal einiges um die Ohren gehauen. Bei mir war der Ausgangspunkt, dass ich mir überlegt hab, wie schrecklich es für Frauen sein kann, nachts durch die Stadt zu laufen und die darauf folgenden Gespräche mit Freundinnen darüber. Das war für mich wie eine neue Welt. Seitdem habe ich mich vor allem mit meiner Freundin viel über feministische Themen unterhalten. Was ich gemerkt habe war, dass ich in meinem tiefen Bedürfnis fair zu sein, schon vieles richtig gemacht habe, aber nicht mal annähernd so viel, als dass ich sagen könnte, dass ich mich aus mir heraus „richtig“ verhalten hätte. Inzwischen habe ich ein fast amerikanisches Verhältnis zu Alltagssexismus und Übergrifflichkeit und begegne überall sexistischer Kackscheiße.
Warum ich jetzt sage, dass „Bauer sucht Frau“ uns Bauern recht geschieht?
Nun. „Bauer sucht Frau“ generiert Inhalte die dazu führen, dass sich die Zuschauer über Bauern und Landwirte lustig machen. Man schaut sich die Sendung an und macht sich über die Protagonisten lustig. Das macht man anscheinend so. Ich bin ohne Fernseher aufgewachsen und habe erst während meines Studiums mitbekommen, dass man das beim Dschungelcamp, GNTM und DSDS genau so macht. Bei letzterem über die singenden Idioten und bei GNTM regt man sich zumindest darüber auf, wie unmöglich sich die Eine schon wieder aufgeführt hat. Es scheint normal und okay zu sein, sich über Leute zu stellen. Was anscheinend keine Rolle spielt ist, wie sich die vorgeführten Nischen fühlen. Ich kann mir vorstellen, dass ein Haufen Models sich von GNTM falsch dargestellt sieht, genau wie Musiker und DSDS.
Ich verurteile niemanden der sich eine der genannten Sendungen anschaut, auch wenn es sich so anhört. Ich bin kritisch, aber selbst nicht ohne Sünde. Wenn ich noch in Kiel wohnen würde, würde ich mit meiner Freundin „Bauer sucht Frau“ anschauen. Ich würde auf den Fernseher gucken und sie auf mich und sich amüsieren, wie schrecklich ich das finde. Ich würde abwechselnd sagen „der arbeitet doch gar nicht als Bauer“ und „guck doch, das haben sie jetzt fürs Fernsehen so gemacht“ und es wäre mir unangenehm, dass ich das anschaue, aber ich bin bei so etwas sensibel. Borat hab ich mir noch nie ganz anschauen können.
Mich trifft es also. Aber nicht weil ich mich dafür schäme es anzuschauen, oder als Bauer falsch dargestellt fühle, sondern weil ich generell widerwärtig finde, wenn Menschen vorgeführt werden. Vor allem im Real Life. Dass „Bauer sucht Frau“ mir als Landwirt das Leben angeblich schwer mache, bekomme ich nur von außerhalb an mich herangetragen. Wie gesagt, ich fühle mich nicht davon beleidigt oder angegriffen. Meine Reaktion, wenn sich mir gegenüber jemand darüber aufregen will war oft „stell‘ dich doch nicht so an, das meint doch keiner ernst“. Genau wie – ich hab es selbst gemerkt – genau wie Männer reagieren, wenn sich Frauen über ihre dummen Sprüche beschweren.
Wer sich von „Bauer sucht Frau“ angegriffen fühlt, tut das in der Regel, weil er*sie sich vorverurteilt fühlt. Findet, dass die Sendung den Berufsstand pauschal falsch, als dumm, einfach und ungepflegt darstellt. Klischees und Vorurteile schürt und hochhält. Genau das machen Witze über Frauen. „Was bist du denn für ein Mädchen“ fragt nicht, warum sich wer so verhält wie er*sie sich verhält, sondern bedient Klischees, die vermutlich immer schon falsch waren, es für uns Männer aber einfach machen, sich mit Dingen nicht zu beschäftigen. In dem konkreten Fall ist es noch viel schlimmer, es nimmt nicht nur etwas nicht ernst, sondern diskriminiert sogar. „Mädchen“ steht in dem Fall für schwach, zart, unfähig, ängstlich und so weiter und Dinge die gesagt werden, sind danach nicht weg, sondern sie sind da. Gesagt. Auch wenn man es nicht so meint, sie hinterlassen einen Eindruck, einen Abdruck im Kopf und man verbindet Mädchen immer auf eine Art auch mit „schwach, zart, unfähig, ängstlich“ und so weiter. Ein Mädchen zu sein ist nichts schlimmes, so wie es in dem Fall gemeint ist, ist es schlimm. Genau wie „Schwul ist keine Beleidigung“ oder „Schweine sind sehr intelligent und reinlich“ keinen Wert hat, wenn die Absicht ist, zu beleidigen.
Ich denke die meisten Landwirte haben, ähnlich wie ich, noch nie wirklich diskriminierende Situationen wegen „Bauer sucht Frau“ erlebt. Was den Schimpfreflex auslöst, ist die Ahnung, was es auf den Couches für bauernfeindliche Sprüche hagelt. Der Verdacht, was die Nichtbauern im Umfeld auch über einen selbst so erzählt haben. Wo man so typisch Bauer war. Man kann sich nicht vorstellen, dass die Leute ernsthaft Respekt vor einem haben wollen, nachdem sie abwertend über einen gedacht oder gesprochen haben. Man kennt sich ja selbst.
Der vorherige Absatz war eine semi-gelungene Überleitung zu meinem letzen Punkt. Neosexismus. Neosexismus ist ein Begriff für den Konflikt zwischen der allgemein akzeptierten Gleichwertigkeit der Frau und einer unterschwellig fortdauernden Diskriminierung. Einfacher: dass es schwer ist, Dir und anderen glaubhaft zu versichern, dass Du die Geile von Instagram auch als gleichwertigen Menschen respektierst. Männer kennen das Gefühl. Frauen? Bestimmt auch. Ich weiß es nicht. Das ist nicht „kein Problem“, sondern falsch und scheiße. Ich kann niemanden zwingen sich das zu Herzen zu nehmen, ich kann nur darauf hinweisen, dass es für diesen Zwiespalt einen eigenen Begriff gibt.
Ist es okay, „Bauer sucht Frau“ und Sexismus zu vergleichen?
Ich weiß es nicht. Es wird der Sache nicht gerecht, aber ich als Mann kann nicht mehr tun als mich anzustrengen, zuzuhören und zu vertrauen, dass die Dinge ernst sind, wenn sie ernst gemeint sind. Auch wenn ich es selbst erstmal nicht so wahrnehme. Wenn sich meine Kollegen von der Fernsehsendung beleidigt fühlen, nehme ich das ernst und tue es nicht ab, nur weil es mich persönlich nicht trifft. Ich möchte in einer Welt leben, in der sich jeder so wohl fühlt wie ich. Nicht jeder wird als praktisch undiskriminierbar geboren; weiß, heterosexuell, männlich. Ich weiß, dass mir nichts passieren kann, außer vielleicht, dass mich wer im Internet anzickt. Wenn mich Leute vorführen wollen, kann ich mich ganz gut verbal wehren und wenn mich Leute verhauen wollen, kann ich ganz gut weglaufen. Das hab ich beim Rugby gelernt. So gut hat es aber nicht jede*r und das ist meiner Meinung nach eines jeden Verantwortung.
Mein Wissen über Feminismus ist sehr begrenzt und ich habe auch oft nicht die richtigen Worte. Ich selbst weiß auch oft nicht genau, welches Verhalten richtig oder falsch ist, aber das wäre eine sehr schlechte Ausrede, wenn ich mich davon abhalten lassen würde es zu versuchen und zumindest Farbe zu bekennen. Als meine Rugbymannschaft und ich einen benachbarten Verein, der sich für die Gleichstellung von Schwulen, Trans*-Leuten und Lesben einsetzt, den Werbeplatz auf der Brust unserer Trikots zur Verfügung stellten, nannten sie uns „Straight Allies“. Das finde ich eine schöne Beschreibung. „Male Allie“.. Für mich als Mann ist es so unmöglich, den alltäglichen Sexismus Frauen gegenüber nachzuempfinden, wie es für mich als Heterosexuellen unmöglich ist, den Struggle und die Diskriminierung, die LGBT*IQ-Menschen erleben, nachzuvollziehen. Das macht es aber nicht unwichtig. Man muss alle Augen und Ohren offen halten und versuchen es richtig zu machen. Und sprechen. Ich habe inzwischen so viele Gespräche mit Frauen zu dem Thema geführt und jede, wirklich jede konnte mir mehrere Geschichten erzählen von denen ich wusste, dass sie mir so nie zugestoßen wären. Nur weil ich ein Mann bin. Macht das, Männer. Vielleicht löst das den Wunsch aus, kein sexistisches Arschloch zu sein. Wenn ihr jetzt anfangt, können eure Töchter vielleicht in einer Welt leben in der sie nicht sexuell diskriminiert werden.
Wem das zu viel Geschwafel ist, der kann das ganze auch nochmal bisschen konkreter auf den Punkt gebracht bekommen. Von der Instagrammerin @skadys_farmlife:
https://www.instagram.com/p/BamTt-aAgfr/?taken-by=skadys_farmlife
https://www.instagram.com/p/BamSStyAF7Y/?taken-by=skadys_farmlife
Vielleicht regt mein Text oder Skadis Videos zum nachdenken an. Schaut euch ihren Account an, sie macht vor allem auch viele schöne Fotos und bringt den Spaß an der Arbeit, genau wie die schwereren Momente, gut rüber.
Ich weiß, dass meine Agrar-Followerschaft auf Facebook und Instagram sehr begrenzt ist, deswegen an alle die ein bisschen mehr Reichweite in dem Gebiet haben: teilt doch gerne den Link in Eurem Umfeld, vielleicht kann der Text zum nachdenken anregen.