Neue Vorbilder: Fynn Kliemann und die coolen Kids vom Land
In schlauen Umfeldern geht es ja oft um Narrative. Darum, dass das erzählt wird, was erzählt werden soll. Darum, was die Aussage über etwas ist, beispielsweise in einem Text, einem Filmbeitrag, oder auch nur gewöhnlichen Unterhaltungen. Der allgemeine Narrativ über ländliche Regionen, kurz „das Land“ ist, dass dort nur noch die leben, die in der Stadt eh keine Chance haben. Die Abgehängten und Alten.
Selbst in meinen eigenen Ohren klingt der jetzt folgende Satz traurig, abgehängt, wer eine solche Aussage trifft, könnte ein bisschen rechts sein, auf jeden Fall aber bemitleidenswert: „Die Leute die das sagen, sitzen meist in der Stadt und wissen überhaupt nicht, wie das Leben auf dem Land ist!“. Das Problem ist aber, dass dieser allgemeine Narrativ nicht nur allgemein akzeptiert ist, sondern auch nur selten widerlegt. Das Einzige, dass auf dem Land interessant scheint, sind die Leute aus der Stadt, die es jetzt um großen Zentren wie Berlin oder Frankfurt herum, gentrifizieren. Und vielleicht noch die Rückkehrer, die nach einiger Zeit woanders ihre Wurzeln als stark und die Kindheit „da draußen“ doch als idyllisch empfanden. Die Stelle des coolen Landeis in den Medien oder zumindest unter uns jungen Leuten war lange vakant. Dann kam Fynn.
Meine heiße Phase mit Fynn hatte ich vor anderthalb Jahren, als ich in Kiel saß und nicht das erste Mal mit meinem Studium am hadern war. Bei einem launigen Bollo-Abend mit Bier, Feuerspielen mit Obstbrand, Zucker und Kaffee und Planungen für unsere Rugbymannschaft, trat Fynn in mein Leben, weil einer meiner Freunde irgendwie auf eines der Videos des Heimwerkerkings gestoßen war. Das besondere an den Videos von Fynn Kliemann ist, dass jeder den ich kenne, etwas aus ihnen ziehen kann. Die einen lachen über die Missgeschicke, die meisten haben danach richtig Bock selbst etwas zu bauen, ich selbst war beeindruckt von der uneitlen Art, mit der er seine Fehler zu einem Teil der Videos macht. Was es mir besonders angetan hatte war sein Vorgehen bei komplizierteren Projekten. Die Meisten unterstellen ihm immer etwas planlos zu sein, ich dagegen habe bei den Videos das Gefühl, dass er sich schon sehr genau damit auseinandergesetzt hat, wo die Projekte mal hingehen sollen, den Weg zum Ziel aber dann mit Enthusiasmus, Gottvertrauen und ein paar flotten Sprüchen angeht, statt jeden Schritt durchzuplanen. Ja, ich habe am Tag drauf auch ein Regal gebaut, aber damit ist die Geschichte nicht zu Ende.
Fynn Kliemann steht für etwas, dass dem oben bemühten, allgemeinen Narrativ widerspricht. Er ist Fahnenträger für all die jungen, alternativen (und meinetwegen auch gerne die jungen konservativen) Leute, die das nutzen, was ihnen das Landleben bietet: Freiheit. Du brauchst hier nicht viel Kohle, um was zu reißen. Du weißt wer deine Nachbarn sind, im Idealfall verstehst du dich mit ihnen und hast – im Gegensatz zur Stadt – nicht nur dann Kontakt, wenn die Musik wieder zu laut war. Es ist vielleicht nicht viel verfügbar, vor allem nicht zu jeder Uhrzeit. Aber wenn du in der Lage bist etwas zu schaffen, dann ist auf dem Land der Platz, an dem du es verwirklichen kannst.
Seit knapp anderthalb Jahren, verfolge ich Fynns Aktivitäten. Aus der Ferne zumindest. Via Instagram und Facebook habe ich eigentlich immer mitbekommen was so abgeht. Wann es Merchandise gab, wann neue Videos und auch als das Kliemannsland geschaffen wurde. Ich habe es nie geschafft, mich per Nachricht dafür zu bedanken, dass er mich damals aus meinem kleinen Tief geholt hat. Dass er mich motiviert hat Säge und Akkuschrauber in die Hand zu nehmen und wieder zu merken „ach, das kann ich doch ganz gut“. Danach wusste ich, wann immer ich ein Motivationsloch habe; der Heimwerkerking ist gleich um die Ecke bei YouTube um mich wieder zu motivieren. Eine Mission, die ihm am Herzen liegt, ist nämlich der Respekt vor ehrlicher Arbeit. Wenn man sich im akademischen Umfeld bewegt, dann vergisst man das manchmal und schrumpft zusammen auf ein Würmchen ohne Abschluss. Ich kenne das gut aus meinem Kieler Umfeld. Eine Zahl von vielen, nicht viel mehr als eine Matrikelnummer. Die Leute die mit dem Studium durch sind, sind sich trotzdem immer und immer mit anderen Leuten am vergleichen. Suchen Leute, die weniger wert sind als sie selber und landen gerne bei den Handwerkern. Als jemand aus einem landwirtschaftlichen Umfeld, was zwar klassisch-nominell kein Handwerk ist, aber trotzdem handwerklich fähig, kannte ich das so nicht.
Aufwachsend waren für mich Handwerker die Spezialisten, wenn es mal wirklich hart auf hart kam. Sie kamen zum Installieren von Heizungen oder Elektroanlagen (alles andere macht der Bauer selbst). In Kiel habe ich das erste Mal erlebt, dass Menschen davon abhängig sind, dass jemand kommt der keine zwei linke Hände hat. Das gleichzeitige Herunterschauen auf diese Retter empfand ich als ziemlich krass. Ich glaube, dass auch da das Land der Stadt etwas voraus hat: hier mischt es sich eher, als dass die verschiedenen Kreise unter sich bleiben. Hier spielen alle im selben Fußballverein oder gehen alle zur Feuerwehr und treffen sich, lernen sich kennen und tauschen sich aus. Immer wieder war genau das Thema ein Anliegen Fynns. Vielleicht auch, weil die Leute, die geschafft haben ein Regal zusammenzuprügeln leicht unterschätzen, wie viel Tiefe und Wissen die Handwerksberufe erfordern. Ich merke das immer wenn man Leute das erste Mal auf einen Trecker setzt und nach dem Verfliegen der ersten Nervosität der Glaube Einzug hält, das wäre „Traktor fahren“.
Danke, Fynn.
Die Stadt hat natürlich auch ihre Qualitäten, keine Frage. Als es für mich konkret wurde, dass ich Kiel verlassen werde, wurde ich immer wieder auch gefragt, ob ich das denn ernsthaft wollen könne. Satrup. Das Zentrum des Nichts. Aber ey, als ich nach Kiel gezogen bin, wurde ich von meinem Bruder integriert, obwohl mehrere Leute aus meinem Umfeld auch dort studierten. Als es klar wurde, dass ich nach Angeln ziehe, war keine zwei Tage später die Whatsapp eines ehemaligen Mitspielers vom Rugby auf meinem Handy, der inzwischen in Berlin lebt, aber aus der Ecke kommt. Er lud mich später zum Rummel ein und machte mich mit seinen Freunden bekannt. Auch ein paar von den „coolen Kids vom Land“. Klar, alles Einzelfälle und von Mensch zu Mensch immer unterschiedlich, aber passt irgendwie ins Bild..