Hofhuhn on Tour: La Ferme Schmitt (Prolog)
Eine meiner bisher schwersten Missionen für meine Kategorie „Hofhuhn on Tour“ hat vor ein paar Wochen erst ihren Abschluss gefunden. Mein Besuch bei der Ferme Schmitt in Bischoffsheim in der Nähe von Straßburg. Als ich die zweieinhalb Stunden im Auto saß, die ich nach Bischoffsheim brauchte, wusste ich ehrlich gesagt nicht so ganz was mich erwartete.
Wie es überhaupt dazu kam
Die Geschichte fängt schon ein bisschen früher an. Irgendwann im Winter hatte ich einen Geistesblitz. Ich hatte mich für mein Hofhuhn-Projekt gerade auf die Rheinländer Hühner als perfekte Rasse für meine naturnahe Hühnerhaltung eingeschossen. Als ich ein bisschen in der Geschichte der Rasse herum las, stolperte ich immer wieder über „Elsässer Hühner“, die der Erzüchter des Rheinländer Huhnes vor etwa 100 Jahren in Bauernhofhühner aus der Eifel einkreuzte. Wochen, in denen ich immer wieder durch die verschiedenen Rasseportraits zu den Rheinländern durchlas und wenig neues lernte (die Texte sind mehr oder weniger Plagiate voneinander), kam ich auf die Idee, einfach mal nach den Elsässer Hühnern zu suchen. Weil die Erzüchtung der Rheinländer ja schon vor über hundert Jahren stattgefunden hatte, war ich nicht auf die Idee gekommen, dass es überhaupt Elsässer Hühner als organisiert gezüchtete Rasse gäbe. Wenn man sich irgendwann genug im Kreis gedreht hat, hält man sich irgendwann dann aber an jedem Strohhalm fest. Und das war ein guter. Elsässer Huhn, oder – so viel gab mein Schulfranzösisch noch her: Poule d’Alsace.Was ich fand war das folgende Video:
Das Hofhuhn-Projekt bevor es das Hofhuhn-Projekt gab
Drei Männer haben sich bereits 2008 zusammengefunden, um das Elsässer Huhn nicht nur zu erhalten, sondern sogar zu einer lokalen Spezialität zu entwickeln. Ähnlich dem Bressehuhn in der, nun ja, Bresse. So wie das Bressehuhn durch seine blauen Beine, das weiße Federkleid und den roten Kamm die französischen Nationalfarben in sich trägt, so vertritt auch das Elsässer Huhn mit den weißen Ohrscheiben und dem roten Kamm die Farben der Region. Ich begann nach den Herren zu suchen. Das Problem war, dass das Video schon ein paar Jahre alt war und die Herren nicht besonders Internetaffin. Außerdem konnte ich nicht viel darüber herausfinden, ob das Projekt überhaupt noch existiert. Einen nach dem anderen suchte ich online, bis ich schließlich bei Gilbert Schmitt fündig wurde: er betreibt die eingangs erwähnte Ferme Schmitt. Einen Geflügelhof, der sich auf Enten und Gänse spezialisiert hat. So genau schaute ich mir nicht an, was sie machten, als ich am 15. Februar die erste Nachricht an die Facebookseite schrieb. Die Antwort kam prompt: Gilbert wird sich bei mir melden. Zwei Wochen später war es dann auch so weit; er meldete sich. Trotz der fürs Internetzeitalter langen Funkstille zeigte er sich hocherfreut und sehr interessiert an einem Austausch. Ab dem Zeitpunkt war klar: ich werde versuchen ihn in Frankreich zu besuchen, weswegen sich der Austausch das nächste Dreivierteljahr nur auf die Terminfindung beschränkte. Das heißt: nur wenig neue Informationen über das Projekt mit den Elsässer Hühnern. Worüber ich aber über die Facebookseite viel herausfand, waren die anderen Produkte der Ferme Schmitt: die tollen Elsässer Patés und Gebäckstücke im Blätterteigmantel. Was mir dem Besuch gegenüber etwas gemischte Gefühle machte, war die berühmteste Spezialität des Hauses: Stopfleber. In Foodiekreisen (im Gegensatz zu den Gourmetkreisen) in Deutschland wahrscheinlich eines der einhelligst verurteilten Produkte. Mein Wunsch ist aber meistens, meine Meinungen gut fundiert zu bilden, deswegen wappnete ich mich für einen Gesprächsexkurs über Stopfleber.
Schwieriger Start
Die Terminfindung zog und zog sich allerdings. Immer wieder konnten Vorschläge von einer Seite nicht bedient werden. Anfangs war ich noch in Norddeutschland und nur kurz und in einem ungünstigen Zeitfenster zu Besuch im, Frankreich näher gelegenen Südwesten. Mal hatte ich selbst Besuch von hühnerinteressierten Menschen, mal war in Frankreich die Hölle los. Schlussendlich, nach Monaten des Überlegens und nicht-Aufgebens konnten wir einen Termin finden: den 17. Oktober.
Weil ich ja selbst schon lange hinter die Internetauftritte von Höfen und Geschäften schaue, gab ich nicht allzu viel auf die tollen Fotos der Facebookseite. Vor allem der Gedanke ans Entenstopfen machte mich etwas nervös. Meine Erfahrung in der Vergangenheit war allerdings schon häufiger, dass sich stark stigmatisierte Haltungssysteme für mich oft ein wenig relativierten, wenn ich mich mit den Verantwortlichen in den Ställen bewegte. Für Stopfleber hatte ich aber trotzdem wenig Verständnis. Ähnlich wie verfettete Ortolane, Bressehühner, die nach Monaten der Freiheit im Dunkeln zu Ende gemästet werden, oder andere Produkte für die Tiere unwürdig gehalten werden. Ich kann mir ein Leben ohne diese Produkte eigentlich ganz gut vorstellen. Es ist nur tatsächlich ein Thema, dass mir immer wieder begegnet und mir zeigt, dass man Menschen immer offen begegnen muss: wir sind allesamt komplexer als wir das gerne hätten.
Warum ein Prolog zu einem Blogtext?
Mein Besuch in Frankreich war wunderschön und ich habe mich von Gilbert und seinen Mitarbeiter*innen unglaublich gut und herzlich aufgenommen gefühlt. Gleichzeitig habe ich aber auch etwas Zahnschmerzen beim Thema Stopfleber, weswegen ich im Vorfeld des eigentlichen Textes über meinen Besuch in Bischoffsheim diesen Konflikt etablieren wollte. Eine kleine Info als Vorweggriff auf den kommenden Bericht: ich werde auf jeden Fall wieder nach Frankreich fahren. Im Frühjahr startet Gilbert einen zweiten kleinen Betrieb; Bio-, eventuell sogar Demeter-Zertifiziert. In Frankreich, wo die Menschen nicht alleine auf Siegel, sondern auf Produktqualität achten, kein kleiner Schritt für einen Betrieb, der auch konventionell geführt alle Produkte verkaufen kann.
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