#tbt: Scheiße, die Bullen!
Schlechter Wortwitz, egal. Ich denke schon seit ein paar Tagen über das Thema Bullen, bzw. „Stiere“ nach. Eigentlich schon seit ein paar Jahren, weil ich habe mich erst in den letzten Wochen wieder von einem Trauma gelöst, dass ich ziemlich genau seit Sommer 2014 mit mir herumtrage: ich bin innerhalb weniger Wochen zwei Mal von unterschiedlichen Bullen angegriffen worden.
Erklärend muss man sagen, dass ich auf einem Hof aufgewachsen bin, auf dem schon seit Jahrzehnten Bullen mit in der Herde laufen, was im Gesamtvergleich eher ungewöhnlich ist. Ich habe also von Klein auf gelernt, mit ihnen umzugehen. „Keine Angst, aber Respekt haben“, hat mein Papa mir gesagt und mit diesem Rat bin ich immer gut gefahren. Es auf keine direkte Konfrontation hinauslaufen lassen, zur Not immer einen Stock oder eine Gabel in der Hand haben, sich nicht in Ecken drängen lassen und am besten den Stier als Teil einer Gruppe treiben und nicht direkt. Es ging aber eigentlich immer. Auch das direkte Treiben. Manchmal muss es halt sein. Wenn das Tier in eine andere Gruppe soll, oder wieder in die Herde.
Ich bin also von Klein auf gewohnt, mich in Kuhherden zu bewegen und das war im Sommer vor drei Jahren der Knackpunkt: ich bin schlicht und ergreifend zu dominant aufgetreten. Zwischen dem Ende meiner Lehre und dem Beginn meines Studiums war ich für einige Monate zuhause auf dem Hof meiner Eltern und habe dort mitgearbeitet. Selbstbewusst und zielorientiert habe ich mich in der Herde bewegt in der ich ja irgendwie aufgewachsen bin. Das Problem war allerdings, dass wir zu dem Zeitpunkt einen Deckbullen hatten, der mich nicht kannte. Ihm war ich von Anfang an ein Dorn im Auge, was ich auch schnell merkte. Aber, wie gesagt, ich hatte meine Vermeidungsstrategien und wollte es auch nicht auf eine Auseinandersetzung ankommen lassen, weil ja nicht nur ich mit dem Tier arbeitete, sondern auch Lehrlinge, Praktikanten und natürlich meine Brüder und mein Vater. Eines Morgens war die Herde aber ausgebrochen und hatte sich aufgeteilt. Mein Bruder, mit dem sich der Bulle gut verstand und unsere Praktikantin gingen der einen Hälfte hinterher, ich versuchte die andere Hälfte zusammenzusuchen. Mit dem Traktor fuhr ich auf den Berg und trieb die halbe Herde auf einer großen Wiese zusammen. Für den Bulli war das der Moment, in dem ich ihm endgültig auf den Sack ging und er nahm mich ins Visier.
Stiere greifen meistens glücklicherweise nicht gleich an. Wenn man nicht komplett blind und mit Kopfhörern über die Wiese läuft, bekommt man mit, dass man unerwünscht ist. Ein tiefes, heiseres brüllen, dass immer aufgeregter und höher wird, ein steifes Anstarren und zuerst muss der Boden dran glauben, der aufgescharrt und mit den Hörnern aufgewühlt wird. Man merkt schon, dass es ernst wird. Die Technik ist eigentlich, dass man ruhig bleibt, nicht den direkten Weg frontal zum Stier wählt und ihn nicht zwischen einen selbst und die Fluchtmöglichkeit, bzw. Fluchtmöglichkeiten kommen lässt. In der Situation war mir der Weg zum Zaun allerdings abgeschnitten. Zuerst versuchte ich noch die Situation zu lösen und das Treiben fortzusetzen, aber dieses Mal wollte er nicht „dumm machen“, wie man bei uns sagt, sondern Konfrontation. Wenn Bullen kämpfen ist das vor der Attacke ein
bisschen wie z.B. bei Katzen, sie verharren und starren sich an. Dazwischen wird gebrüllt und gedroht, Erde aufgewühlt und auf dicke Hose gemacht. Der Moment, in dem er mit seinen Hörnern im Dreck wühlte, nutzte ich, um auf den Traktor zu rennen, wo ich einen Stock hatte. Der Zerbrach aber am Dickschädel des Bullen, so dass ich nur noch den Trecker als Waffe hatte. Das reichte zumindest um nicht plattgemacht zu werden. Mein Bruder löste die Situation, in dem er den Bullen, wild mit seinem Treibestock wedelnd und selbstbewusst auf ihn zugehend, auf den Weg nachhause brachte. Danach lösten wir die Situation, indem der Bulle für die Zeit meines Aufenthalts zuhause aus der Herde nahmen.
Der zweite Zwischenfall war wesentlich weniger dramatisch. Ich war in Kiel auf WG-Suche und besuchte einen Freund aus der Ausbildung auf seinem Betrieb bei Neumünster. Ihr Zuchtbulle hatte einen Tag vorher den
Nachbarbauern ums Wasserfass gejagt und war gerade in einer schwierigen Phase. Stiere haben das zu bestimmten Zeitpunkten, vielleicht sowas wie Trotzphase und Pubertät. Jedenfalls war er geladen und ich half meinem Kumpel beim Melken. Das Kühe holen habe ich abgebrochen, nachdem ich mich mit einem Sprint in den Melkstand retten musste.
Das Problem waren nicht die Bullen sondern vermutlich ich in dieser speziellen Phase. Gerade aus der Lehre, selbstbewusst, voll mit dem Gefühl die Welt würde mir gehören. Mit der Attitüde habe ich mich in den Kuhherden bewegt. Nicht unsensibel, aber vielleicht ein bisschen „too much“. Ich nahm mir keine Zeit mich in die Herden hineinzufühlen oder sie mit mir bekannt zu machen, sondern kam, sah und forderte. Das missfiel den Bullen.
Jetzt, hier in Mittelangeln haben wir auch eine Herde und wir haben einen Zuchtbullen, Picard, der aber aus dem Gröbsten raus ist. Mich hat er ein bisschen von meinem dreijährigen Trauma geheilt. Ich bin mir bewusst, dass es seine Herde ist und ich ihn deswegen nicht vor „seinen Damen“ erniedrigen sollte. Er ist ein gestandener Mann. Fünf Jahre oder so, bestimmt 1200kg. Kein jugendlicher Spinner. Bei den Jungbullen im Titelbild ist es übrigens etwas ganz anderes. Die haben das Alpha-Gehabe nicht, dass Stiere haben, die in der Herde der Boss sind – oder es zumindest sein wollen. Sie sind ungestüm und distanzlos, aber absolut händelbar.
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