..lasst uns über’s Töten reden
Eines der schwierigsten, weil mit sehr vielen Emotionen verbundenes, Thema in der Landwirtschaft ist das Schlachten und damit einhergehend das Töten von Tieren.
Was ich so bisher zu dem Thema gelesen habe, war meist sehr, wie soll man sagen, wenig offen für Nachfragen. Die Aussage war „das ist so wie ich sage, komm damit klar!“ Vermutlich weil es so ein schwieriges Feld ist und niemand ein schlechter Mensch sein möchte; was offensichtlich der allgemeine Konsens ist, wenn es um das Schlachten und Töten geht. Eine der am häufigsten gebrauchten und gleichzeitig von mir am wenigsten goutierten Floskeln ist „Jeder, der Fleisch isst, sollte mal selbst ein Tier geschlachtet haben“. Ich halte diesen Satz für großen Unsinn. Wirklich. Jeder, der Fleisch isst, sollte sich den Film „Earthlings“ angeschaut haben, oder zumindest mal in einem konventionellen Schweine- oder Bullenmaststall gestanden haben. Da bin ich dabei, aber ein Tier zu töten ist nichts, dass jeder mal gemacht haben sollte.
Die Bloggerin Nicole Hasler vom Blog zum fressn gern. hat vor ein paar Tagen ein Foto auf Instagram geteilt, auf dem sie darum bat, von ihren Followern nicht als schlechter Mensch, beziehungsweise als Mensch, der Tiere nicht liebt, gesehen zu werden. Die Woche vorher hat sie in einem Schlachthaus das erste Mal selbst ein Schwein getötet.
https://www.instagram.com/p/BYUunYoBt8b/?taken-by=zumfressngern
Das Problem ist meiner Meinung nach, dass wir uns in unserer komplizierten modernen Gesellschaft die bedrückenden Seiten des Lebens weit wegdrücken. Der Tod gehört dazu. Wer schon mal ein Tier getötet hat weiß, wie wenig es braucht, um ein Leben zu beenden. Wenn man sich klar macht, dass einen selbst und ein Tier rein technisch nichts trennt, dann kann das ziemlich Angst machen. Deswegen halten Eltern ihre Kinder von Anfang an so weit weg von allem was mit Tod zusammenhängt, wie es geht und erziehen so Erwachsene, die nicht mehr damit klarkommen, dass alles seinen Gang geht. Es wird geboren, Tierbabys, süße Tierbabys werden geboren, diese werden älter und gehen ihren Weg. Brutal viele als Massen-Schlachtware in fensterlosen Gebäuden, ein paar privilegierte als verhätschelte Haustiere, aber auch diese sterben. Es wird geboren und gestorben. Das ist die Realität und 96% aller Deutschen bezeichnen sich nicht als Vegetarier, sollten also niemanden verurteilen, der ihnen dazu verhilft, vor dieser Realität verschont zu bleiben.
Warum möchte ich nicht, dass „jeder mal ein Tier geschlachtet hat“? Weil ich genau deswegen schon so oft Sachen gehört habe wie „Ja, ich habe mal mit meinem Nachbarn zusammen ein Kaninchen getötet, das wollte nicht tot gehen, wir mussten da fünf Minuten lang draufhauen!“ Ich habe es mir nicht ausgedacht, solcherlei habe ich schon mehr als einmal gehört. In solchen Situationen würde ich manchmal gerne sechs Minuten lang draufhauen. Auch wenn es vielleicht naiv-nette Leute sind, die solch tierschutzrelevanten Dreck von sich geben. Wer tötet, muss ganz genau wissen was er oder sie tut.
Meine Überzeugung ist die folgende: ich finde den Tod nicht schlimm. Sobald das Leben aus dem Tier entwichen ist, ist theoretisch alles egal. Was zählt, was gut und schlecht, schön und schrecklich sein kann ist das Leben, das ist alles, was vor dem Tod passiert. Dazu gehört auch der Prozess des Sterbens. Deswegen bin ich ein großer Freund von kurz und schmerzlos und schlachte lieber selbst, als dass ich es Menschen tun lasse, von denen ich nicht weiß, ob sie die Nerven haben in den entscheidenden Momenten einen kühlen Kopf zu bewahren.
Es fällt mir ein bisschen schwer über das Töten von Tieren zu schreiben. Zu sprechen fällt mir leichter, da ich dann gleich sehen kann, welcher Art von Mensch ich gegenüberstehe. Es gibt eigentlich drei bis vier Arten von Menschen bei diesem Thema, diejenigen, die es verurteilen, diejenigen, die sagen „das könnte ich nie“ und sich nochmal in interessiert und ignorant aufteilen und diejenigen, die selbst schon geschlachtet haben. Diese sprechen oft nicht von sich aus darüber, weil eine große Angst vor dem verurteilt-werden herrscht. Fatal ist der vom Gedankengang her nachvollziehbare Irrglaube, dass Menschen die Tiere töten können, keine Tiere mögen können. Dazu gehört auch dieses seltsame Gehabe darum, dass Hobbytierhalter den Tieren, die zum Schlachten bestimmt sind, oft keine Namen geben. Warum sollte man ein Schlachttier sein Leben lang als Tier zweiter Klasse behandeln? Nur weil man selbst emotional nicht in der Lage ist damit umzugehen? Was kann denn das Tier dafür? Und warum maßt man sich an so über die Menschen die da anders sind zu urteilen? Jede*r weiß, dass er*sie selbst komplex ist, aber viele vergessen, dass jeder andere Mensch für sich genau so komplex ist. Menschen sind nicht so simpel. Auch wenn Du jetzt denkst „der Typ der das schreibt ist ein stumpfer Hund“, dann ist es so und ich kann damit leben. Aber ich selbst kenne noch einige andere Menschen, denen Tiere alles bedeuten, sie diese aber auch zum Schlachter schicken oder selbst schlachten und denen gegenüber ist es nicht fair.
Schlachten hat damit zu tun, eine Entscheidung durchzuziehen. Eine mächtige Entscheidung; den Tod eines Tieres herbeizuführen. Diese Konsequenz ist das Produkt einiger vorangegangener Entscheidungen. Aktiver und passiver Entscheidungen. Für den Fleischkonsum entscheiden sich die wenigsten bewusst. Für die meisten ist es normal damit aufzuwachsen, kein Privileg dass man sich verdienen muss. Wenn eine bewusste Enscheidung fällt, dann ist es meist eher der Verzicht auf Fleisch, oder konsequenterweise gleich auf alle tierischen Produkte. Das kann ich nachvollziehen. Ich habe mir die Argumente angehört und nachgelesen, habe nachgedacht und bin zu einem anderen Schluss gekommen: wenn es mit Respekt geschieht, dann bin ich für den Konsum von tierischen Produkten. Gemäßigt allerdings. Wer die Tierhalter und Tierhaltung als solche verurteilt, urteilt zwar mit Sicherheit voller Überzeugung, aber auch pauschal und ungerecht. Auch wenn es kein Veganer hören möchte, ich stimme zu 95% zu: vieles, was wir Tierhalter den Tieren antun ist grausam und unter aller Sau. Das System Nutztierhaltung ist in der Breite krank und verdorben. Es gibt aber Alternativen und diese müssen unterstützt werden, nicht verurteilt. Das ist meine Wahrheit und meiner Meinung nach der einzige Weg zu einem gerechteren Ganzen.
Zurück zum Schlachten, weswegen ich es lieber selbst mache und was meine Konsequenzen daraus sind. Ich bin auf einem Hof aufgewachsen, bin damit aufgewachsen mit anderen Menschen zu arbeiten und dass diese Menschen Fehler machen. Das kann ich tolerieren. Inzwischen eigentlich in allen Bereichen, außer aber wenn es darum geht, dass Tiere aus Gedankenlosigkeit gequält und respektlos behandelt werden. Wenn jemand „nur“ ein verendetes Huhn achtlos in die Ecke schmeißt, gehe ich an die Decke. Vor allem aber beim Töten dürfen keine Fehler gemacht werden. Schlicht und ergreifend. Ich selbst mache es wirklich nicht gerne, drücke mich oft davor, möchte niemandem „mal zeigen wie das so geht“, aber bevor es wer anderes schlecht macht, mache ich es lieber selbst. Ich weiß, dass ich nervenstark genug bin, nicht in Panik zu geraten wenn etwas unvorhergesehenes passieren sollte. Dass ich dafür einen Sachkundenachweis habe, erwähne ich am Rande, ich habe es also wirklich gelernt, mache nicht nur irgendwie irgendwas.
Ich möchte in Zukunft den Hof meiner Eltern, den ich in anderthalb Jahren gemeinsam mit meinen Geschwistern übernehme, so umgestalten, dass ihn die Tiere niemals verlassen müssen. Wie gesagt, der Tod ist nicht das Schlimme, das Leben und das Sterben gilt es gut und respektvoll zu gestalten. Unsere Tiere sollen in Zukunft nicht mehr auf einen Transporter müssen, der nach anderen Tieren riecht, von fremden Menschen gehändelt und am Ende getötet werden. Sie verstehen nicht was passiert und meine Verantwortung als Tierhalter ist, es ihnen so ertragbar wie möglich zu gestalten. Auch wenn das bedeutet, dass ich vielleicht noch einen Metzger-Meister auf meinen Landwirt draufsetzen muss. Ich schlachte nicht gerne, aber ich möchte, dass meine Tiere in Würde sterben, das kann zuallererst nur ich garantieren, oder ein Schlachter dem ich vertraue. Wenn sich niemand findet, der das gemeinsam mit mir im Hunsrück machen möchte, dann werde ich es selbst machen. In vollem Respekt vor den Tieren, dem Sterben und dem Handwerk der Metzger. Jede*r, der oder die es mal selbst machen wollen, oder die dabei sein wollen, sollten es machen wie Nicole: nicht im Garten mit Spaten und Nachbarn, sondern richtig, bewusst, beim Metzger.
Tierische Produkte wachsen nicht an Bäumen, das weiß jeder. Begriffen haben es aber trotzdem viele nicht.
Hofhuhn jeden Tag auf Instagram:
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.